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BFH: Freiberuf­liche Ein­künfte einer Mit­unter­nehmer­schaft bei kauf­männischer Führung durch einen Berufs­träger

Ein als Zahnarzt zuge­lasse­ner Mit­unter­nehmer übt im Rahmen eines Zusam­men­schlus­ses von Berufs­trägern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer gege­benen­falls äußerst gering­fügigen behan­delnden Tätig­keit vor allem und weit über­wiegend organi­sato­rische und admini­stra­tive Leistun­gen für den Praxis­betrieb der Mit­unter­nehmer­schaft erbringt. Die eigene frei­beruf­liche Betäti­gung eines Mit­unter­nehmers kann auch in Form der Mit- und Zusam­men­arbeit statt­finden (BFH, Urteil v. 4.2.2025 - VIII R 4/22; veröf­fent­licht am 27.3.2025).

Sachverhalt: Streitig ist, ob für die Klägerin für das Streitjahr 2010 Einkünfte aus Gewerbe­betrieb oder aus selbstän­diger Arbeit festzu­stellen sind: Die Klägerin ist eine eingetragene Partner­schafts­gesell­schaft und betreibt eine Zahnarzt­praxis. Ihre sieben Partner (drei Senior- und vier Juniorpartner) sind appro­bierte Zahnärzte. Einem der Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z.B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personal­angelegen­heiten, Instand­haltung der zahnärzt­lichen Gerät­schaften). Er war weder "am Stuhl" behandelnd tätig noch in die praktische zahnärzt­liche Arbeit der Mitsozien und der ange­stellten Zahnärzte einge­bunden, sondern beriet im Streitjahr fünf Patienten konsi­liarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.

Finanzamt und FG der ersten Instanz (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 16.9.2021 - 4 K 1270/19) stuften die Einkünfte der gesamten Gesell­schaft als gewerblich ein (ausführ­lich hierzu Schneider/Schneider, NWB 19/2022 S. 1354).

Die Richter des BFH gaben der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass für die Klägerin gewerb­liche Einkünfte (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) und nicht freiberufliche Einkünfte (§ 18 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG) festzu­stellen sind. Vorliegend haben alle Mitunter­nehmer Einkünfte aus freiberuf­licher Tätigkeit erzielt.
  • Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und indivi­duelle Arbeits­leistung des Berufsträgers geprägt. Die bloße Zugehörigkeit eines Gesell­schafters zu einem freiberuf­lichen Katalog­beruf reicht nicht aus.
  • Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs, nämlich die persönliche Berufs­qualifi­kation und das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifi­kation auf dem Markt, in seiner Person verwirklicht hat.
  • Die persönliche Ausübung der freiberuf­lichen Tätigkeit im vorge­nannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesell­schafter in allen Unter­nehmens­bereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet (BFH, Urteil v. 4.8.2020 - VIII R 24/17, BStBl II 2021, 81, Rz 14; BFH, Urteil v. 23.11.2000 - IV R 48/99, BStBl II 2001, 241).
  • Die eigene freiberufliche Betäti­gung eines Mitunter­nehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammen­arbeit statt­finden (BFH, Urteil v. 28.10.2008 - VIII R 69/06, BStBl II 2009, 642, unter II.4.d). Einen Mindest­umfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.
  • Die berufstypische zahnärztliche Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG wird durch die auf zahnärzt­liche wissen­schaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behand­lung von Zahn-, Mund- und Kiefer­krankheiten charakterisiert. Das Berufsbild des (Zahn-)Arztes ist in besonderem Maße durch den persönlichen individuellen Dienst am Patienten geprägt (vgl. BFH, Beschluss v. 12.6.2018 - VIII B 154/17, , Rz 11; BFH, Urteil v. 21.3.1995 - XI R 85/93, BStBl II 1995, 732, unter II.2.).
  • Diese patientenbezogene Betrachtung schließt es jedoch nicht aus, eine freiberufliche zahnärzt­liche Tätigkeit auch anzunehmen, wenn ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer im Rahmen eines größeren Zusammenschlusses von Berufs­trägern neben einer gegebenen­falls äußerst gering­fügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organi­satorische und admini­strative Leistungen für den Praxis­betrieb der Gesell­schaft erbringt.
  • Auch in diesem Fall entfaltet er Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören, denn die kauf­männische Führung und Organi­sation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufs­typischen zahnärztlichen Leistungen und damit auch Ausdruck der freiberuf­lichen Mit- und Zusammen­arbeit sowie der persönlichen Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit.

 


BFH, Urteil v. 4.2.2025 - VIII R 4/22; NWB Datenbank (il)

Quelle: NWB Verlag