Steuerberaterverband Thüringen e.V.
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BFH: Rückstellung für Alters­freizeit

Für die Verpflichtung des Arbeit­gebers zur Gewäh­rung von Alters­freizeit (von zwei Tagen pro Jahr der Betriebs­zuge­hörig­keit), die unter den Bedin­gun­gen einer mindes­tens zehnjährigen Betriebs­zuge­hörig­keit des Arbeit­nehmers sowie der Voll­endung dessen 60. Lebens­jahres steht, ist eine Rück­stellung für unge­wisse Ver­bind­lich­keiten zu bilden (BFH, Urteil v. 5.6.2024 - IV R 22/22; veröf­fent­licht am 25.7.2024).

Hintergrund: Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handels­bilanz Rück­stellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Das handels­recht­liche Passi­vierungs­gebot für Rück­stellungen für Verbind­lich­keiten gehört zu den Grund­sätzen ordnungs­mäßiger Buch­führung und gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz.

Sachverhalt: Streitig ist die steuerliche Berücksichti­gungs­fähig­keit einer Rückstellung für Alters­freizeit: Die Klägerin, eine OHG, gewährt ihren älteren Beschäf­tigten neben ihrem vertrag­lichen Jahresurlaub einen zusätz­lichen jährlichen Anspruch auf bezahlte Freizeit (zwei Arbeitstagen/Jahr). Voraus­setzung für den Erhalt war eine Betriebs­zugehörig­keit von mehr als zehn Jahren und das Über­schreiten der Alters­grenze von 60 Jahren.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung lehnte das zuständige Finanzamt die steuer­mindernde Berück­sichtigung der hierfür gebildeten Rückstellung ab. Die Voraus­setzungen einer Rückstellung für ungewisse Verbindlich­keiten seien nicht erfüllt. Insbe­sondere hätten die beschäftigten Arbeit­nehmer keine Mehr­leistungen erbracht, die der Betrieb zu bezahlen hätte. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (FG Köln, Urteil v. 10.11.2021 - 12 K 2486/20).

Die Richter des BFH wiesen die Revision des Finanzamtes zurück:

  • Die wirtschaftliche Verursachung der zurück­gestellten (ungewissen) Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanz­stichtag gegeben.
  • Der Anspruch der Arbeitnehmer ist durch ihre Arbeitsleistung - zum Teil aufschiebend bedingt durch eine mindestens zehnjährige Betriebs­zuge­hörigkeit und die Vollendung des 60. Lebensjahres entstanden und damit erdient beziehungs­weise "realisiert".
  • Die Altersfreizeit gilt vergangene Arbeitsleistung ab und ist dieser synallagma­tisch zweck­gerichtet und zeitlich zuordenbar. Dies gilt jedenfalls bei der gebotenen wirtschaft­lichen Betrachtungs­weise (dazu BFH, Urteil v. 25.5.2016 I R 17/15, BStBl II 2016, 930, Rz 23; Sievert in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanz­steuer­recht, 4. Aufl., Rz 6203).
  • Durch die Anknüpfung an die Dauer der Betriebs­zugehörig­keit handelt sich bei der Alters­freizeit um ein Entgelt für während dieser Zeit erbrachte Arbeits­leistungen sowie für die Nichtausübung des Kündigungsrechts (BFH, Urteil v. 5.2.1987 IV R 81/84, BStBl II 1987, 845, unter 1.c [Rz 19], zur Rückstellung für Zuwen­dungen aus Anlass eines Arbeit­nehmer­jubiläums). Die Arbeitnehmer haben dadurch eine Vorleistung erbracht.
  • Hingegen muss die Klägerin ihre Gegenleistung in Gestalt der Altersfreizeit noch erbringen. Sie hat am Bilanz­stichtag weniger geleistet, als sie nach dem Arbeits­vertrag und den Bestim­mungen des Manteltarif­vertrags zu leisten verpflichtet ist. Insofern befindet sie sich in einem Erfüllungs­rückstand.


BFH, Urteil v. 5.6.2024 - IV R 22/22; NWB Datenbank (il)

Quelle: NWB Verlag