Steuerberaterverband Thüringen e.V.
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Präsidentin Recknagel bittet Finanzministerin Taubert um Zustimmung für Abschmelzungsmodell bei Steuererklärungsfristen

"Sehr geehrte Frau Ministerin Taubert,

die Bundesregierung beschloss am 16.02.2022 ihren Gesetzentwurf für ein Viertes Corona-Steuerhilfegesetz. Ihr Haus wird sich zu dem Vorstoß in den nächsten Tagen bzw. Wochen eine Meinung bilden. Als zuständiger Berufsverband in Thüringen bitten wir Sie, dabei ein besonderes Augenmerk auf das im Regierungsentwurf geplante Fristenkonzept für die Abgabe von Steuererklärungen zu richten, und werben inständig dafür, dass Sie unsere folgenden Nachbesserungsvorschläge unterstützen.

Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz sieht erfreulicherweise für die Jahressteuererklärungen 2020 die in der Praxis dringend benötigte Abgabefrist für beratene Steuerpflichtige bis 31.08.2022 vor. Ab dem Veranlagungsjahr 2021 soll die Frist um je zwei Monate abgeschmolzen werden. Zur Unterstützung der Steuererklärungen 2021 hätten die kleinen und mittleren Kanzleien demnach nur bis 31.06.2023 Zeit (§ 36 Abs. 4 Nr. 5, § 36 Abs. 5 Nr. 5 EGAO-E).

Wir begrüßen, dass die Bundesregierung ein längerfristiges Konzept angeht und die Erklärungsfristen geordnet zurückgeführt werden sollen. Das bietet der Praxis gerade in diesen unruhigen Krisenzeiten die notwendige Planbarkeit. Die aktuell geplante Rückführungsgeschwindigkeit ab dem kommenden Jahr um jährlich zwei Monate ist aus unserer Sicht jedoch übereilt. Gern erläutern wir dies näher.

Verkürzung der Bearbeitungszeit erst nach Ende der Zusatzaufgaben realisierbar
Bei gleichbleibenden Ressourcen benötigen kleine und mittlere Kanzleien unter regulären Bedingungen zwölf Monate für das laufende Deklarationsgeschäft. Die Herausforderung, das übliche Arbeitspensum in einem verkürzten Bearbeitungszeitraum zu absolvieren, kann nur dann gelingen, wenn keine außerplanmäßigen Zusatzaufgaben zu bewältigen sind.

Um die Steuererklärungen 2021 in der geplanten verkürzten Bearbeitungszeit fertig stellen zu können, müssten sich kleine und mittlere Kanzleien ab September 2022 vollkommen auf das Deklarationsgeschäft konzentrieren können. Nur so könnten sie die Steuererklärungen 2021 in dem vorgesehenen verkürzten Bearbeitungszeitraum von zehn Monaten leisten. Allerdings stehen gerade im Jahr 2022 etliche Zusatzaufgaben an.

Verlängerte Unterstützung im Rahmen der Corona-Hilfsprogramme
Aktuell sind die kleinen und mittleren Kanzleien angesichts der anhaltenden Krise und einschränkenden Maßnahmen mit der Prüfung und Bearbeitung der Anträge für die Überbrückungshilfen III Plus und Überbrückungshilfen IV, den aufwändigen Kurzarbeitergeld-Abrechnungen und weiteren Aufgaben zur Bewältigung der Krise bei den Mandanten betraut - neben dem laufenden Tagesgeschäft.

Die individuellen Schlussabrechnungen für die Überbrückungshilfen I bis III, die Neustarthilfe, die November- und Dezemberhilfe können bisher nicht – wie für Anfang 2022 angekündigt – begonnen werden. Wann die IT hierfür eröffnet wird, ist offen. Auf Wunsch der Bewilligungsstellen der Länder wird das Portal für die Schlussabrechnungen voraussichtlich erst im Frühsommer 2022 starten. Je später dies ermöglicht wird, umso später erfolgen die jeweiligen Nachfragen der Bewilligungsstellen und die entsprechenden Abstimmungsprozesse. Dies führt zu einem Bearbeitungsstau, der die Kanzleien zwingen wird, sich mit diesem Thema bis in das Jahr 2023 hinein befassen zu müssen.

Erst im Laufe des Jahres 2023 werden die Schlussabrechnungen für die Überbrückungshilfen III Plus, die Überbrückungshilfe IV bzw. die bis Ende Juni 2022 verlängerten Hilfen zu bewältigen sein. Angesichts der bisherigen Erfahrungen gehen wir davon aus, dass sich diese Herausforderungen noch bis weit in die Jahre 2024/2025 hinziehen werden.

Prognose als realistisches Szenario
Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bzw. Bundesministerium der Finanzen mit den Ländern und Praxisvertretern durchgeführten Abstimmungsrunden zu den FAQ der Corona-Hilfsmaßnahmen bestärken unsere zeitlichen Sorgen. Erst jüngst haben die Länder im Rahmen der Austauschrunde den Wunsch nach Fristenentschärfung bei den Überbrückungshilfen geäußert. Sie sprachen sich dafür aus, dass das Portal für die Schlussabrechnungen zu den Überbrückungshilfen I bis III bzw. zu den November- und Dezember-Hilfen noch nicht freigegeben werden solle, damit die Bewilligungsstellen ihre Ressourcen zunächst in das Antragsverfahren für die Überbrückungshilfen III Plus und IV stecken könnten. Sie wiesen darauf hin, dass neben den Prüfenden Dritten auch die Bewilligungsstellen zunächst der Antragsflut Herr werden müssten, um die Unternehmen mit notwendiger Liquidität zu versorgen. Gleichzeitig sprachen sie sich für den ersten Schlussabrechnungsblock (also bis Überbrückungshilfen III) für eine Abrechnungsfrist bis Ende 2023 aus.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Schlussabrechnungen für die Überbrückungshilfen III Plus, IV (und folgende) erst im Jahr 2024 erfolgen. Kurz: Der Berufsstand wird mindestens bis 2024 mit entsprechenden Zusatzaufgaben betraut sein.

Zusätzliche Zeitnot durch die Abgabe der Grundsteuererklärungen
Bereits jetzt befassen sich die kleinen und mittleren Kanzleien mit den Vorbereitungen für die Erklärungen zur Feststellung der Grundsteuerwerte zum ersten Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022. Diese müssen ab Juli 2022 abgegeben werden. Der Steuerberaterverband Thüringen erwartet, dass der Berufsstand massiv in die Neubewertung von nahezu 36 Millionen Grundstücken einbezogen werden wird.

Ungeachtet dessen, dass die verschiedenen Bewertungsmodelle der Länder die Arbeit in der Praxis erschwert, gestaltet sich die verfügbare Datenlage zu den zu bewertenden Grundstücken als äußerst misslich. Zwar plant die Finanzverwaltung, eine Datenbank einzurichten, in der etwa Daten wie die Grundstücksgröße abrufbar sein sollen. Bis dato ist jedoch noch unklar, mit welchen konkreten Datenbeständen und welcher Datenqualität künftig zu rechnen ist. In den meisten Ländern könnte – wenn überhaupt – eine Datenbereitstellung der Finanzverwaltung wohl erst im zweiten Quartal erfolgen. Ob April oder Juni, darauf wollen sie sich derzeit nicht festlegen. Insofern ist eine planbare und effiziente Vorbereitung der Erklärungen bis 01.07.2022 nicht möglich. Bereits dieser Umstand lässt große Zweifel aufkommen, ob die Frist bis Ende Oktober 2022 zu halten ist.

Mit der Erstellung der notwendigen Erklärungen gehen ferner die Beantwortung von Nachfragen seitens der Finanzverwaltung oder dem Führen etwaiger Rechtsbehelfsverfahren einher. Wir gehen davon aus, dass diesen zusätzlichen Aufgaben sich bis weit in das Jahr 2023 hinziehen werden.

Petitum des Steuerberaterverbandes Thüringen: Für die Steuererklärungen 2021 sollte dringend der übliche 12-Monatszeitraum zur Bearbeitung gewährt werden. Das heißt, für beratene Steuerpflichtige ist für den Veranlagungszeitraum 2021 dringend eine Abgabefrist bis Ende August 2023 geboten. Die Abschmelzung der Verlängerung sollte angesichts der hohen zusätzlichen Belastungen in den Folgejahren monatlich erfolgen. Sofern keine unerwartete Krisenverschärfung eintritt, wären die nachfolgenden Fristen für beratene Steuerpflichtige zielführend und notwendig, damit die kleinen und mittleren Kanzleien planbar und geordnet aus der Krise herauswachsen können:

Fristenkonzept zur Rückführung der Abgabefristen für beratene Steuerpflichtige

Steuererklärung 202031.08.2022
Steuererklärung 202131.08.2023
Steuererklärung 202231.07.2024
Steuererklärung 202330.06.2025
Steuererklärung 202431.05.2026
Steuererklärung 202530.04.2027
Steuererklärung 202631.03.2028
Steuererklärung 202728.02.2029

Die kleinen und mittleren Kanzleien haben – im Unterschied zu anderen – zu keinem Zeitpunkt in der nunmehr zweijährigen Pandemie gesagt: „Wir schaffen das nicht.“ Vielmehr sahen und sehen sich die Kanzleiteams in der Verantwortung für die Existenz etlicher Unternehmen und den Erhalt der Arbeitsplätze. Sie unterstützten und unterstützen, wo sie nur können.

Wir wären Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin Taubert, daher sehr dankbar, wenn Sie sich im Zuge der Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses des Bundesrats zu dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz für aufgezeigte Verlängerung der Abgabefristen für die Steuererklärungen 2021 und die Entzerrung des Abschmelzmodells einsetzen könnten.

Für weitere Erörterungen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.

Hochachtungsvoll

Andrea Recknagel

Präsidentin"