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Umsatzsteuer 2023: Wichtige Änderungen im Überblick

Zum Jahreswechsel 2022/2023 gibt es wieder zahlreiche Änderungen im Umsatzsteuerrecht. Wir geben einen Überblick über wichtige Neuerungen aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung im Jahr 2022 sowie einen Ausblick auf neue gesetzliche Regelungen für 2023.

Das ändert sich 2022/2023 im Umsatzsteuergesetz

Nachdem zum 1.1.2022 praxisrelevante Änderungen nur im Bereich der Durchschnittssatzbesteuerung der Land- und Forstwirte sowie eine Anpassung bei den Reiseleistungen vorlagen, sind im Jahr 2022 durch verschiedene Gesetze Änderungen in der Umsatzsteuer eingetreten, darunter:

  • das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz,
  • das Achte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen sowie
  • das Jahressteuergesetz 2022 (bisher nur in der Fassung des Regierungsentwurfs).

Gesetz zur Absenkung des Steuersatzes für Gaslieferungen

Zum 1.10.2022 ist der Steuersatz für die Lieferung von Erdgas über das Erdgasnetz sowie für die Lieferung von Wärme durch ein Wärmenetz auf den ermäßigten Steuersatz von 7 % abgesenkt worden. Die temporäre Absenkung, die für den Zeitraum vom 1.10.2022 bis 31.3.2024 gelten soll, ist in den zeitlich begrenzten Fassungen des Gesetzes in § 28 Abs. 5 und Abs. 6 UStG geregelt worden. Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 25.10.2022, BStBl 2022 I S. 1455) hat zeitnah zur Verabschiedung des Gesetzes ein Schreiben veröffentlicht, in dem neben den Anwendungsregelungen auch diverse Vereinfachungsregelungen mit aufgenommen worden sind.

Hinweis: Grundsätzlich gilt, dass die Lieferung von Gas und Wärme mit Ablauf des jeweiligen Leistungszeitraums ausgeführt ist (i. d. R. der Ablesestichtag). Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn zu den Stichtagen der Steuersatzänderung (1.10.2022/31.3.2024) fiktive Teilleistungszeiträume abgerechnet werden. Wie bei jeder anderen Änderung der gesetzlichen Regelungen konserviert die Vereinnahmung von Anzahlungen, Abschlagszahlungen, Vorauszahlungen oder Vorschüssen nicht den Steuersatz, der im Zeitpunkt der Vereinnahmung gilt.

Die Ermäßigung des Steuersatzes auf 7 % gilt für die folgenden Leistungen:

  • Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, es kann sich dabei sowohl um Erdgas aber auch um Biogas handeln. Darunter fällt auch die Lieferung von Gas, das vom leistenden Unternehmer dem Erdgasnetz entnommen und sodann unmittelbar zum Leistungsempfänger weitertransportiert wird.
  • Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz, unerheblich ist, aus welchem Wärmeträger die Wärme gewonnen wurde (Gas, Kohle, Heizöl, Holzpellets). Begünstigt soll damit jede Lieferung von Wärme aus einer Wärmeerzeugungsanlage sein.
  • Legen eines Hausanschlusses für Gaslieferungen oder für Fernwärmelieferungen (vgl. dazu auch zum Legen eines Hauswasseranschlusses BMF, Schreiben v. 4.2.2021, BStBl 2021 I S. 312).

Die Finanzverwaltung hat darüber hinaus auch Vereinfachungen bzw. Nichtbeanstandungsregelungen für die jeweiligen Stichtage getroffen:

  • Zulassung der Abrechnung nach Gastagen.
    Einräumung fiktiver Teilleistungszeiträume zum 1.10.2022 bzw. 31.3.2024.
  • Vereinfachungsregelungen für Abschlagszahlungen (Abschlagsrechnungen müssen nicht korrigiert werden, es kann weiterhin mit 19 % besteuert werden mit Anpassung in der Jahresrechnung).
  • Nichtbeanstandungsregelung für Lieferungen im November 2022 (in B2B-Fällen kann für Lieferungen im November 2022 der Umsatz mit 19 % besteuert werden, der Leistungsempfänger hat dann den Vorsteuerabzug der 19 % Umsatzsteuer, soweit er vorsteuerabzugsberechtigt ist; dies soll entsprechend gelten, wenn der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schuldet).
  • Hinweise zu Änderungen der Bemessungsgrundlage (z. B. Jahresrückvergütungen, Jahresbonifikationen, Treueprämien etc.).

Hinweis: Die Finanzverwaltung lässt es zwar zu, dass die in Abschlagsanforderungen enthaltene Umsatzsteuer für Fälligkeitstermine ab dem 1.10.2022 nicht geändert werden muss, wenn der leistende Unternehmer die 19 % Umsatzsteuer abführt – eine Anpassung kann dann erst in der Jahresrechnung erfolgen. Dies wird in der Praxis wohl nur in Betracht kommen, wenn der Leistungsempfänger ein vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist. Bei Endverbrauchern wird die temporäre Belastung mit der Steuerdifferenz von 12 % kaum auf Akzeptanz stoßen.

Die Grundsätze sind für alle Umsätze vom 1.10.2022 bis 31.3.2024 (soweit es nicht zu einer Verlängerung der Maßnahme kommen sollte) anzuwenden.

Achtes Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen

Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen

Seit dem 1.7.2020 galt aufgrund des (ersten) Corona-Steuerhilfegesetzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen in der Zeit vom 1.7.2020 bis 30.6.2021 der ermäßigte Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG). Ausdrücklich davon ausgenommen ist aber die Abgabe von Getränken, die immer dem Regelsteuersatz unterliegt. Diese befristete Regelung wurde durch das 3. Corona-Steuerhilfegesetz bis zum 31.12.2022 verlängert und ist nun aufgrund der weiterhin spürbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie in der Gastronomiebranche nochmals bis zum 31.12.2023 verlängert worden.

Hinweis: Damit gelten auch die von der Finanzverwaltung  festgelegten Vereinfachungsregelungen aufgrund der befristeten Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen für Pauschalangebote weiter (BMF, Schreiben v. 21.11.2022, III C 2 - S 7030/20/10006 :006). Bei Kombiangeboten, die sowohl Speisen als auch Getränke zu einem Pauschalpreis beinhalten (z. B. Frühstück, All-Inclusive-Angebote), wird es nicht beanstandet, wenn der auf die Getränke entfallende Entgeltanteil mit 30 % des Pauschalpreises angesetzt wird.

Durchschnittssteuersatz für Land- und Forstwirte

Der Durchschnittssteuersatz für die land- und forstwirtschaftlichen Erzeuger nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 UStG, der zum 1.1.2022 schon einmal von 10,7 % auf 9,5 % abgesenkt worden war, ist zum 1.1.2023 erneut abgesenkt worden, auf nunmehr 9,0 %.

Hinweis: Land- und Forstwirte können seit dem 1.1.2022 die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG nur noch anwenden, wenn der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 EUR betragen hat.

Steuerschuldnerschaft bei Emissionszertifikaten

Die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens  ist – wie schon länger geplant – in einer Nummer ergänzt worden. In § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG wird neben den anderen Emissionsrechten ab dem 1.1.2023 auch die Übertragung von Emissionszertifikaten nach § 3 Nr. 2 BEHG  in den Anwendungsbereich des Steuerschuldnerverfahrens mit einbezogen.

Jahressteuergesetz 2022

Das Jahressteuergesetz 2022 (derzeit in der Fassung des Regierungsentwurfs vom September 2022) nimmt neben den diversen ertragsteuerrechtlichen Änderungen auch verschiedene Veränderungen im Umsatzsteuergesetz vor. Während im Referentenentwurf noch keine gravierenden Auswirkungen auf das Umsatzsteuerrecht enthalten waren, wurde im Regierungsentwurf durch die Einführung eines "0 %-Steuersatzes" für bestimmte Photovoltaikanlagen Neuland in der Umsatzsteuer betreten. Durch den Bundesrat sind im Gesetzgebungsverfahren weitere Ergänzungen empfohlen worden, denen die Bundesregierung teilweise zugestimmt hat (Stellungnahme des Bundesrats mit Gegenäußerung der Bundesregierung v. 2.11.2022, Drs. 20/4229).

Einführung eines neuen "0 %-Steuersatzes" für Photovoltaik

Erstmals wird in Deutschland durch einen neuen § 12 Abs. 3 UStG ein sog. "0 %-Steuersatz" eingeführt, der für Leistungen im Zusammenhang mit bestimmten (kleineren) Photovoltaikanlagen gilt. Die Neuregelung ist für alle Leistungen anzuwenden, die ab dem 1.1.2023 ausgeführt werden.

Hinweis: Ein 0 %-Steuersatz unterscheidet sich von einer Steuerbefreiung einer Leistung dadurch, dass bei dem leistenden Unternehmer zwar keine Umsatzsteuer entsteht, er aber für alle damit im Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen den vollen Vorsteuerabzug beanspruchen kann.

Erfasst werden von der Anwendung des 0 %-Steuersatzes die folgenden Leistungen nach § 12 Abs. 3 UStG:

  • Die Lieferung der Solarmodule einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage notwendigen Komponenten sowie von Speichern, die den erzeugten Strom speichern können, an den Betreiber der Photovoltaikanlage, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird.
  • Der innergemeinschaftliche Erwerb der begünstigten Gegenstände.
  • Die Einfuhr der begünstigten Teile.
  • Die Installation der Anlagen und Speicher für die begünstigten Anlagen.

Hinweis: Die Absenkung des Steuersatzes auf 0 % gilt nur für die Leistungen gegenüber dem Betreiber der Photovoltaikanlage. Die Lieferungen der Hersteller, Großhändler oder Einzelhändler an Personen, die nicht Betreiber der Photovoltaikanlage sind, unterliegen weiterhin dem Regelsteuersatz.

Weitere Voraussetzung ist, dass ein Zusammenhang mit der Privatwohnung, Wohnungen oder öffentlichen Gebäuden notwendig ist. Allerdings gelten diese Voraussetzungen (fiktiv) als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Anlage nicht mehr als 30 kW (peak) nach dem Marktstammdatenregister beträgt.

Hinweis: Es gibt keine gesetzliche Definition von einer "Privatwohnung". Gemeint ist hier offensichtlich die Wohnung des Unternehmers (z. B. bei Installation der Photovoltaikanlage auf dem Dach des Einfamilienhauses des Betreibers).

Ziel der Regelung ist insbesondere die Verwaltungsvereinfachung, da Anlagenbetreiber – soweit sie nicht noch anderweitig unternehmerisch tätig sind – in Zukunft die Kleinunternehmerbesteuerung (§ 19 UStG) in Anspruch nehmen werden. Bisher wurde in diesen Fällen – obwohl meist die Umsatzgrenzen  für die Kleinunternehmerbesteuerung eingehalten wurden – auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung verzichtet, um den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Photovoltaikanlage zu erhalten. Der Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung wird in Zukunft nicht mehr notwendig sein, wenn dem Unternehmer keine Umsatzsteuer aus der Anschaffung der Anlage berechnet wird. Damit werden im Gleichklang mit dem Ertragsteuerrecht diese Anlagen aus der Besteuerung weitestgehend herausgehalten. Es bleibt den Betreibern der Photovoltaikanlagen weiterhin unbenommen, auf die Kleinunternehmerbesteuerung zu verzichten, ein wirtschaftlicher Grund wird sich dafür aber kaum ergeben.

Hinweis: Nach der bisherigen Regelung müssen bei Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung aber weiterhin jährliche Umsatzsteuererklärungen abgegeben werden. Ob im Gesetzgebungsverfahren oder später im Verwaltungsverfahren noch eine Ausnahme geregelt wird, steht derzeit nicht fest, der Bundesrat hat die Bundesregierung gebeten, hier Vereinfachungen zu prüfen.

Neben dieser eher bürokratischen Vereinfachung kommt es für die ab dem 1.1.2023 angeschafften Anlagen aber in den Fällen, in denen erzeugter Strom für private Zwecke verwendet wird, zu einem positiven wirtschaftlichen Effekt, da der für private Zwecke entnommene Strom nicht mehr der Umsatzbesteuerung unterliegt; dies gilt unabhängig davon, ob die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch genommen wird oder nicht.

Hinweis: Bisher führte die Entnahme von Strom aus einer dem Unternehmen zugeordneten Photovoltaikanlage zu einer fiktiv gegen Entgelt ausgeführten Lieferung, wenn der Unternehmer aus der Anlage den Vorsteuerabzug hatte. Bei Anschaffung ab dem 1.1.2023 ist kein Vorsteuerabzug aus der Anlage mehr möglich, sodass keine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG  mehr vorliegen kann.

Bei der Beratung im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen sollte deshalb auf den Zeitpunkt der Lieferung und der Ausführung der sonstigen Leistung geachtet werden.

Hinweis: Im Regelfall liegt bei der Installation einer Photovoltaikanlage eine Werklieferung (§ 3 Abs. 4 UStG) vor, die mit Abnahme der Leistung ausgeführt ist. Zu diesem Zeitpunkt ist der maßgebliche Steuersatz für die Leistung festzustellen. Wenn die Leistung erst nach dem 31.12.2022 ausgeführt und abgenommen wird, entsteht eine Umsatzsteuer von 0 %. Soweit schon im Jahr 2022 Anzahlungen (Vorauszahlungen) vereinnahmt wurden, die dem Steuersatz von 19 % unterworfen wurden, muss dies im Zeitpunkt der Ausführung der Leistung  korrigiert werden. Dies gilt entsprechend für den Leistungsempfänger für einen evtl. vorgenommenen Vorsteuerabzug. Nach Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2022 können aber im Jahr 2022 erhaltene Anzahlungen auch schon mit 0 % Umsatzsteuer erfasst werden, wenn feststeht, dass die Leistung erst nach dem 31.12.2022 ausgeführt wird.

Sollten Personen eine begünstigte Photovoltaikanlage erwerben, die auch noch anderweitig unternehmerisch tätig sind, wird sich der gewünschte Vereinfachungseffekt der Kleinunternehmerbesteuerung nicht ergeben, da in diesem Fall die auf das einheitliche Unternehmen bezogene Gesamtumsatzgrenze von 22.000 EUR überschritten werden dürfte. Hier besteht in der Praxis Beratungsbedarf, die Photovoltaikanlage evtl. im Rahmen einer separaten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu erwerben und zu betreiben, die dann als eigenständiges Unternehmen die Umsatzgrenzen des § 19 UStG einhält.

Hinweis: Keine Anwendung findet der 0 %-Steuersatz auf Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den ansonsten begünstigten Photovoltaikanlagen. Ein Grund dafür könnte darin bestehen, dass Photovoltaikanlagen regelmäßig wartungsarm sind. Instandsetzungen (z. B. nach Hagelschäden) dürften dann aber wieder als "Lieferung von Solarmodulen" unter die Begünstigung fallen. Ebenfalls ergibt sich nach dem derzeitigen Stand auch keine Absenkung des Steuersatzes auf 0 %, wenn eine Photovoltaikanlage an einen Betreiber vermietet wird.

Besonders zu beachten ist, dass sich der gewünschte Vereinfachungseffekt wohl nur ergeben wird, wenn es sich um die nachträgliche Installation einer Photovoltaikanlage auf einem schon bestehenden Gebäude handelt. In diesem Fall stellt die Photovoltaikanlage eine eigenständige wirtschaftliche Einheit dar, die für die Umsatzsteuer unabhängig vom Gebäude zu betrachten ist. Anders ist die Rechtslage, wenn eine Photovoltaikanlage gleich zusammen mit einem Neubau eines Gebäudes errichtet wird. In diesem Fall vertritt die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 20.10.2022, mit Hinweis auf den geänderten Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE) die Auffassung, dass die Beurteilung sich nach ertragsteuerrechtlichen Gesichtspunkten richtet. Soweit ertragsteuerrechtlich von einheitlichen Herstellungskosten auszugehen ist, würde eine einheitliche Aufteilung der gesamten auf die Herstellungskosten entfallenden Umsatzsteuer des Gebäudes in Betracht kommen. In diesem Fall würde über einen sinnvollen Aufteilungsmaßstab nachzudenken sein (die Finanzverwaltung schlägt dazu ein zweistufiges Modell vor) und zu beachten sein, dass – da dann ein Gebäudebestandteil vorliegen würde – der Vorsteuerberichtigungszeitraum 10 Jahre (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG) betragen würde.

Änderungen bei den Durchschnittssteuersätzen

Durch das Jahressteuergesetz 2022 wird die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 23 UStG aufgehoben. Nach § 23 UStG konnten bis 31.12.2022 bestimmte Unternehmer (der Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr durfte in dem Gewerbe- oder Berufsbereich nach § 69 Abs. 3 UStDV nicht mehr als 61.356 EUR betragen haben) eine Pauschalierung der Vorsteuerbeträge mit einem bestimmten Prozentsatz der selbst erzielten Ausgangsumsätze vornehmen. Die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung war auf bestimmte Berufsgruppen bzw. bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten beschränkt, die in Anlagen zur UStDV aufgeführt waren. Abhängig von der jeweiligen gewerblichen Tätigkeit bzw. der beruflichen Tätigkeit ergab sich ein pauschaler Vorsteuersatz.

Hinweis: Die Abschaffung wird mit der geringen Bedeutung der Regelung für die Praxis begründet.

Darüber hinaus wird die Umsatzgrenze für die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 23a UStG auf 45.000 EUR angehoben (bis 31.12.2022 betrug die Umsatzgrenze 35.000 EUR). Nach § 23a UStG können Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, die nicht verpflichtet sind, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, einen Durchschnittssatz von 7 % des steuerpflichtigen Umsatzes (mit Ausnahme der Einfuhr und des innergemeinschaftlichen Erwerbs) als pauschale Vorsteuer ansetzen. Da diese Vereinigungen i. d. R. für ihre Ausgangsumsätze den ermäßigten Steuersatz von 7 % (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG) anwenden, ergibt sich für sie regelmäßig keine Zahllast.

Hinweis: Es handelt sich nach der Gesetzesbegründung um eine Folgeänderung aufgrund der Anhebung der Besteuerungsgrenze nach § 64 Abs. 3 und § 67a AO durch das Jahressteuergesetz 2020 von 35.000 EUR auf 45.000 EUR, um weiterhin einheitliche Betragsgrenzen zur Steuererleichterung von steuerbegünstigten Körperschaften zu erreichen.

Änderung bei der Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen

In der Regelung zur Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen in § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG wird der Satz 2 mit seinem Hinweis auf § 18a Abs. 10 UStG gestrichen.

Hinweis: Zum 1.1.2020 war in § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG im Rahmen der sog. "Quick Fixes" als materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 6a UStG eingeführt worden, dass die Lieferung zutreffend in der Zusammenfassenden Meldung erfasst werden muss. In § 4 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 UStG war dann ein Verweis auf die Berichtigungspflicht der Zusammenfassenden Meldung (ZM) binnen eines Monats nach Feststellung eines Fehlers nach § 18a Abs. 10 UStG aufgenommen worden.

Der Hinweis in § 4 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 UStG auf die Berichtigungsfrist in § 18a Abs. 10 UStG hatte dazu geführt, dass die Finanzverwaltung – entgegen der damaligen Gesetzesbegründung – die Rechtsauffassung vertrat, dass eine erstmals verspätet abgegebene Zusammenfassende Meldung als auch eine außerhalb der Einmonatsfrist abgegebene berichtigte Zusammenfassende Meldung keine Rückwirkung für die Steuerbefreiung entfaltet. Diese (unzutreffende) Rechtsauffassung musste die Finanzverwaltung  mittlerweile aufgeben. Die Steuerbefreiung tritt danach auch rückwirkend ein, wenn die Zusammenfassende Meldung verspätet oder berichtigt innerhalb der Festsetzungsfrist abgegeben wird. Der irreführende Hinweis auf § 18a Abs. 10 UStG wird gestrichen, da eine Berichtigung innerhalb eines Monats nach Feststellung des Fehlers für die Steuerbefreiung nicht sachgerecht ist.

Hinweis: Ist eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht oder nicht zutreffend in einer Zusammenfassenden Meldung gemeldet worden, bleibt es aber dabei, dass eine rückwirkende Heilung und damit eine Steuerbefreiung dieser Lieferung nur eintritt, wenn die ursprüngliche Zusammenfassende Meldung berichtigt wird. Eine "Nachmeldung" in einer folgenden Zusammenfassenden Meldung führt nicht zur (rückwirkenden) Steuerbefreiung. Ebenso bleibt es bei der Verpflichtung, eine unzutreffende Zusammenfasende Meldung binnen eines Monats nach Feststellung des Fehlers zu berichtigen. Wird gegen diese Berichtigungspflicht verstoßen und die Berichtigung erst später durchgeführt, kann zwar nicht die Steuerbefreiung versagt werden, es kann aber ein Bußgeld aufgrund einer Ordnungswidrigkeit verhängt werden.

Änderungswünsche des Bundesrats

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 28.10.2022 beschlossen, noch weitere Änderungen des Umsatzsteuergesetzes anzuregen. Diesen hat die Bundesregierung teilweise zugestimmt, wobei eine Umsetzung nach Beratung des Finanzausschusses derzeit noch aussteht. Der Bundesrat hat die folgenden Ergänzungen vorgeschlagen:

  • Nachdem der BFH (Urteil v. 22.11.2018, V R 65/17, BFH/NV 2019 S. 359, bestätigt durch BFH, Urteil v. 7.5.2020, V R 1/18, BFH/NV 2020 S. 1211) die Bruchteilsgemeinschaften aufgrund fehlender (zivilrechtlicher) Rechtsfähigkeit nicht als unternehmerfähig angesehen hatte, besteht systematisch Unsicherheit, ob nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse (z. B auch ungeteilte Erbengemeinschaften) eigenständig Unternehmereigenschaft haben können. Der Bundesrat regt eine gesetzliche Klarstellung an, dass auch solche nicht rechtsfähigen Zusammenschlüsse als Unternehmer nach § 2 UStG behandelt werden können. Die Bundesregierung hat dem zugestimmt.
  • Die Steuerfreiheit für Betriebshelfer in der Land- und Forstwirtschaft (§ 4 Nr. 27 Buchst. b UStG) soll angepasst werden. Diese bisher auf die Leistungen von juristischen Personen ausgerichtete Steuerbefreiung soll rechtsformneutral ausgestaltet und verbal auf Betriebshilfeleistungen umgestellt werden. Danach sollen land- und forstwirtschaftliche Betriebshilfeleistungen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe – unabhängig von der Rechtsform des leistenden Unternehmers – unter den weiteren (unveränderten) Bedingungen von der Umsatzsteuer befreit sein. Die Bundesregierung hat eine Prüfung zugesagt.
  • Zum 31.12.2022 läuft die letzte Frist für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) zum Übergang aus der bisherigen Regelung des § 2 Abs. 3 UStG in die Neuregelung des § 2b UStG aus (§ 27 Abs. 22 und Abs. 22a UStG). Viele jPöR – insbesondere die kirchlichen jPöR sowie überwiegend Bund und Länder – praktizieren eine kamerale, auf dem Zufluss- und Abflussprinzip basierende Buchführung. Der Bundesrat hat deshalb eine Ergänzung in § 20 Satz 1 Nr. 4 UStG vorgeschlagen, nachdem jPöR – unabhängig von einer Gesamtumsatzgrenze – die Istbesteuerung anwenden können. Die Bundesregierung hat dem zugestimmt.
  • Der Bundesrat hat außerdem eine Anpassung der Steuerbefreiung für Sportvereine angeregt, da nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 21.4.2022, V R 48/20, BFH/NV 2022 S. 792) eine Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL – entgegen der früheren BFH-Rechtsprechung – nicht möglich ist. Da der Bundesrat aber lediglich eine verbale Anpassung an den Wortlaut der MwStSystRL vorgeschlagen hatte, hat die Bundesregierung dem (vorerst) nicht zugestimmt, da sie eine umfangreichere Änderung und Beratung als notwendig erachtet.

Weitere Änderungen im Jahressteuergesetz 2022

Neben den für die Praxis relevanten Punkten sollen diverse redaktionelle (Beseitigung von Fehlern) bzw. formale Änderungen vorgenommen werden (z. B. elektronische Anmeldung bei Fahrzeugeinzelbesteuerung). Darüber hinaus erfolgen Ergänzungen, die aber nur für eine überschaubare Anzahl von Unternehmern bzw. die Finanzverwaltung von Bedeutung sind und keinen Einfluss auf die materielle Umsatzbesteuerung haben. Insbesondere sind da zu nennen:

  • Schaffung einer nationalen Vorschrift zur Umsetzung einer Richtlinie für Zahlungsdienstleister . In einem neuen § 22g UStG werden umfangreiche formale Pflichten für Zahlungsdienstleister bei grenzüberschreitenden Zahlungen aufgenommen. Diese Regelungen führen aber zu keiner umsatzsteuerrechtlichen Konsequenz. Auch ein Verstoß gegen diese Verpflichtungen führt nicht zur Begründung eines Umsatzes oder Wegfall einer umsatzsteuerrechtlichen Begünstigung (z. B. einer Steuerbefreiung) oder eines Vorsteuerabzugs; ein Verstoß ist lediglich bußgeldbewehrt. Die Regelung tritt aber erst zum 1.1.2024 in Kraft. Hinweis: Die Regelung dient der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs in der Gemeinschaft. Der Mitgliedstaat der Meldung soll die elektronisch übermittelten Daten in eine elektronische Datenbank einstellen ("CESOP"), auf die alle Eurofisc-Verbindungsbeamten Zugriff haben.
  • Umsetzung der Verpflichtung zur elektronischen Bereitstellung über Verwaltungsportale nach dem Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz (OZG) v. 14.8.2017, BGBl 2017 I S. 3122). So konnte bisher u.a. die Vergütung von Umsatzsteuerbeträgen nach § 4a UStG (Steuervergütung für Leistungsbezüge zur Verwendung zu humanitären, karitativen oder erzieherischen Zwecken im Drittlandsgebiet) nur in Papierform beantragt werden. Jetzt ist ebenfalls eine elektronische Abwicklung möglich.

Steuererklärungen 2022

Der Unternehmer hat – unabhängig von der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen –eine Jahressteuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Die Abgabefrist für die Steuererklärung endet gem. § 149 Abs. 2 AO regelmäßig 7 Monate nach Ablauf des Besteuerungszeitraums (dies wäre der 31.7.2023). Aufgrund der Corona-Pandemie ist die reguläre Abgabefrist für die Jahressteuererklärung 2022 aber auf den 30.9.2023 verschoben worden (da der 30.9.2023 ein Samstag ist, endet die Frist am 2.10.2023). Soweit Angehörige steuerberatender Berufe die Erklärungen erstellen, verlängert sich diese Frist grundsätzlich bis Ende Februar des übernächsten Jahres, wegen der Corona-Pandemie ist die Abgabefrist aber bis zum 31.7.2024 verlängert worden.

Die Abgabefrist der Jahressteuererklärung hat auch einen Einfluss auf die Möglichkeit des Unternehmers, bezogene Leistungen, die er sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwenden möchte, seinem Unternehmen ganz oder nur teilweise zuzuordnen. Nach der Rechtsprechung des BFH  muss innerhalb dieser Zuordnungsfrist die Zuordnungsentscheidung dokumentiert werden. Entgegen der bisherigen Rechtsauffassung von BFH (Urteil v. 4.5.2022, XI R 28/21, BFH/NV 2022 S. 878 sowie XI R 29/21, BFH/NV 2022 S. 881) und Finanzverwaltung muss innerhalb dieser Frist aber keine Dokumentation gegenüber der Finanzverwaltung erfolgen, es muss nur eine nach außen objektiv erkennbare Dokumentation vorgenommen werden (z. B. ableitbar aus Bauantragsunterlagen bei Bau eines Hauses, Abschluss eines Stromeinlieferungsvertrags bei Anschaffung einer Photovoltaikanlage).

Hinweis: Eine Zuordnungsentscheidung ist aber nur dann auszuüben, wenn ein Zuordnungswahlrecht vorliegt. Gegenstände, die ausschließlich für unternehmerische Zwecke verwendet werden, stellen Unternehmensvermögen dar (sog. Zuordnungsgebot); Gegenstände die gar nicht oder zu weniger als 10 %  für unternehmerische Zwecke verwendet werden, können dem Unternehmen nicht zugeordnet werden (sog. Zuordnungsverbot).

Für den Veranlagungszeitraum 2022 hatte die Finanzverwaltung  im Dezember 2021 die Erklärungsvordrucke für die Jahressteuererklärung 2022 vorgestellt. Inhaltlich angepasst ist die Jahressteuererklärung 2022 an den seit dem 1.1.2022 abgesenkten Durchschnittssteuersatz nach § 24 UStG für Land- und Forstwirte.

Hinweis: Die im laufenden Kalenderjahr 2022 eingetretenen weiteren Änderungen des Umsatzsteuergesetzes haben nicht zu einer Änderung des Vordrucks der Jahressteuererklärung 2022 geführt.

Wichtige Nichtbeanstandungsregelungen

Im Laufe des Jahres werden von der Finanzverwaltung Änderungen im Umsatzsteuerrecht vorgenommen bzw. werden gesetzliche Regelungen oder Veränderungen aufgrund der Rechtsprechung umgesetzt. Häufig ergeben sich dabei Übergangs- oder Nichtbeanstandungsregelungen, die in der Praxis gerade im Zusammenhang mit einem Jahreswechsel zu beachten sind.

Garantieleistungen

Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 18.10.2021, BStBl 2021 I S. 2142; die grundsätzlichen Aussagen ergeben sich aus BMF, Schreiben v. 11.5.2021, BStBl 2021 I S. 781) hatte im letzten Jahr die Nichtbeanstandungsregelung für entgeltliche Garantieleistungen (nochmals) verlängert. Die ursprünglich bis zum 31.12.2021 befristete Nichtbeanstandungsregelung war bis zum 31.12.2022 verlängert worden. Eine entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Händlers ist keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung. Diese Leistung kann unter den weiteren Bedingungen als Versicherungsleistung nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerfrei sein, führt dann aber zur Entstehung von Versicherungsteuer. Die Regelung gilt nicht nur für die Garantiezusage im Kfz-Handel, sondern bei allen entgeltlichen Garantiezusagen bzw. Garantieverlängerungen. Für Umsätze bis zum 31.12.2022 wird es nicht beanstandet, wenn die Garantieleistung noch als Nebenleistung zur Lieferung behandelt wird.

Reiseleistungen

Bei der Ausführung von Reiseleistungen nach § 25 UStG waren in den Vorjahren umfassende Rechtsänderungen eingetreten, für die die Finanzverwaltung im Jahr 2021 auslaufende Nichtbeanstandungsregelungen getroffen hatte. In einem Fall endet eine Nichtbeanstandungsregelung aber erst zum 31.12.2022. Bisher war davon ausgegangen worden, dass die besondere Besteuerung nach § 25 UStG für alle Unternehmer unabhängig von ihrem Sitz anzuwenden ist. Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 29.1.2021, BStBl 2021 I S. 250) hatte dann aber festgestellt, dass für Unternehmer mit Sitz im Drittlandsgebiet die Besteuerung nach § 25 UStG nicht anzuwenden ist. Eine schon einmal verlängerte Nichtbeanstandungsregelung war bis zum 31.12.2022 verlängert worden (BMF, Schreiben v. 1.12.2021, BStBl 2021 I S. 2488).  Drittlandsunternehmer können danach noch für alle im Jahr 2022 ausgeführten Leistungen die Sonderregelung des § 25 UStG in Anspruch nehmen – dies führt wegen der am Sitzort ausgeführten Leistungen zu nicht steuerbaren Umsätzen im Inland. Allerdings ist der Vorsteuerabzug (Vorsteuervergütung) für evtl. in Deutschland in Anspruch genommene Reisevorleistungen ausgeschlossen.

Corona-Pandemie

Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie hatte die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 15.6.2021, BStBl 2021 I S. 855) im Rahmen einer Billigkeitsregelung für die Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 geregelt, dass alle im unmittelbaren Zusammenhang mit der Eindämmung und der Bekämpfung der Corona-Pandemie von den in § 4 Nr. 18 UStG genannten Einrichtungen erbrachten Leistungen steuerfrei behandelt werden können. Zu diesen Leistungen gehören auch die entgeltliche Gestellung von Personal, Räumlichkeiten, Sachmitteln oder die Erbringung anderer Leistungen an Körperschaften des privaten und öffentlichen Rechts, soweit die empfangende Einrichtung selbst Leistungen zur Eindämmung oder Bekämpfung der Corona-Pandemie erbringt. Ob die die Leistung empfangende Körperschaft ihre Leistungen als steuerfreie Leistungen, mangels Entgeltlichkeit oder aufgrund hoheitlicher Tätigkeit nicht steuerbar erbringt, ist dafür unbeachtlich. Die ursprünglich bis Ende 2021 befristete Billigkeitsmaßnahme war aufgrund der anhaltenden Pandemie bis zum 31.12.2022 verlängert  worden (BMF, Schreiben v. 3.12.2021, BStBl 2021 I S. 2488).

Die Finanzverwaltung hatte 2020 (BMF, Schreiben v. 9.4.2020, BStBl 2020 I S. 498) weitere Sondermaßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie geregelt und diese – teilweise ertragsteuerrechtlich, teilweise umsatzsteuerrechtlich – ausgerichteten Maßnahmen Ende 2020 bis zum 31.12.2021 verlängert. Aufgrund der weiterhin anhaltenden Pandemie waren die Regelungen erneut – dieses Mal bis zum 31.12.2022 – verlängert worden (BMF, Schreiben v. 14.12.2021, BStBl 2021 I S. 2500). Dies betrifft die folgenden Leistungen:

  • Für die unentgeltliche Bereitstellung von medizinischem Bedarf und für unentgeltliche Personalgestellungen für medizinische Zwecke durch Unternehmen an Einrichtungen, die einen unverzichtbaren Einsatz zur Bewältigung der Corona-Krise leisten (z. B. Krankenhäuser, Kliniken, Arztpraxen, Rettungsdienste, Pflege- und Sozialdienste, Alters- und Pflegeheime sowie weitere öffentliche Institutionen wie Polizei und Feuerwehr), wird von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe im Billigkeitswege abgesehen. Hinweis: Beabsichtigt ein Unternehmer bereits beim Leistungsbezug, die Leistungen ausschließlich und unmittelbar für die genannten begünstigten Zwecke zu verwenden, können die entsprechenden Vorsteuerbeträge unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG im Billigkeitswege entgegen Abschn. 15.15 Abs. 1 UStAE berücksichtigt werden. Die folgende unentgeltliche Wertabgabe wird im Billigkeitswege nicht besteuert.
  • Die umsatzsteuerbare Überlassung von Sachmitteln und Räumen sowie von Arbeitnehmern sind unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 14, 16, 18, 23 und 25 UStG als eng verbundene Umsätze der steuerbegünstigten Einrichtungen untereinander umsatzsteuerfrei. Hinweis: Ergänzend stellt die Finanzverwaltung fest, dass die Steuerbefreiung nur für die Überlassung zwischen Einrichtungen gilt, deren Umsätze nach der gleichen Vorschrift steuerbefreit sind, also z. B. für Überlassungen zwischen den in § 4 Nr. 16 UStG genannten Einrichtungen. Für die Anwendung der genannten Umsatzsteuerbefreiungen ist eine Anerkennung als gemeinnützige Einrichtung nicht erforderlich.
  • Stehen Nutzungsänderungen bei Unternehmen der öffentlichen Hand i. Z. m. der Bewältigung der Corona-Pandemie, wird von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a UStG und einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG abgesehen, wenn die Nutzungsänderung pandemiebedingt ist. Leerstand aufgrund von Kontaktbeschränkungen führen nicht zu Nutzungsänderungen im Verhältnis zu früheren Zeiträumen. Dies gilt entsprechend auch für Vorsteuerbeträge aus laufenden Kosten. Sofern Nutzungen pandemiebedingt unentgeltlich erfolgen, ist die Billigkeitsregelung auch auf in privater Rechtsform betriebene Unternehmen der öffentlichen Hand anzuwenden.

Telekommunikationsleistungen

Nachdem zum 1.1.2021 die Übertragung der Steuerschuldnerschaft bei der Ausführung von Telekommunikationsdienstleistungen an "Wiederverkäufer" eingeführt wurde, hat die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 2.5.2022, BStBl 2022 I S. 736) klargestellt, dass Wohnungseigentümergemeinschaften und Vermieter keine "Wiederverkäufer" sind, wenn sie Telekommunikationsdienstleistungen an Wohnungseigentümer oder Mieter weitergeben. Es wird allerdings nicht beanstandet, wenn für Leistungen, die vor dem 1.7.2022 ausgeführt wurden, die Beteiligten übereinstimmend die Vorschriften des § 13b Abs. 2 Nr. 12 i.V.m. Abs. 5 Satz 6 UStG angewendet haben.

Flughafenlounges

Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 26.4.2022, BStBl 2022 I S. 655) hatte Änderungen bei dem Ort für die Gewährung des Zugangs zu sog. Flughafenlounges vorgenommen. Regelmäßig sind dies Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück. Steht die Zugangsberechtigung aber im Zusammenhang mit einer Beförderungsleistung, liegt eine Nebenleistung vor, sodass sich der Ort nach § 3b UStG bestimmt. Für Leistungen, die vor dem 1.7.2022 ausgeführt wurden, wird es aber nicht beanstandet, wenn die Beteiligten bei der Bestimmung des Leistungsorts übereinstimmend keine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück angenommen haben.

Wagniskapitalfonds

Zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland kann seit dem 1.7.2021 auch die Verwaltung sog. Wagniskapitalfonds steuerfrei erfolgen. Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 24.6.2022, BStBl 2022 I S. 1006) hatte 2022 erstmals zu der Neuregelung Stellung genommen und insbesondere die Zielunternehmen (Wachstumsunternehmen) des Fonds definiert. Die Grundsätze gelten grds. für alle Umsätze, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt worden sind. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber für alle bis zum 30.6.2022 ausgeführten Umsätze – die nach diesen Regelungen steuerfrei wären – nicht, wenn diese noch steuerpflichtig ausgeführt wurden. Dies gilt entsprechend für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers.

Blutspendedienste

Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 22.6.2022, BStBl 2022 I S. 1004) hatte Veränderungen für die Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes vorgenommen. Zur Abgrenzung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben von den Zweckbetrieben hatte die Finanzverwaltung bei der Herstellung und Veräußerung von Produkten der Blutfraktionierung des Deutschen Roten Kreuzes bisher die Auffassung vertreten, dass die Veräußerung von Produkten der 1. Fraktionierungsstufe stets im Rahmen eines Zweckbetriebs erfolgt (bisher Abschn. 12.9 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 UStAE). Aufgrund veränderter Marktstrukturen konnte an dieser Auffassung vonseiten der Finanzverwaltung nicht mehr festgehalten werden. Für Umsätze, die ab dem 1.1.2023 ausgeführt werden, ist die Weiterveräußerung von im Aphereseverfahren  gewonnenen Blutbestandteilen der 1. Stufe der Blutfraktionierung zur weiteren Fraktionierung ein nicht begünstigter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.

Vorsteueraufteilung

Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 20.10.2022) hat im Jahr 2022 zu den Regelungen der Vorsteueraufteilung bei Immobilien nach § 15 Abs. 4 UStG Stellung genommen und die Grundsätze aus der Rechtsprechung von EuGH und BFH übernommen. Danach sind Anschaffungs- und Herstellungskosten nach einem einheitlichen Aufteilungsmaßstab aufzuteilen, während bei allen laufenden Kosten der Grundsatz "Zuordnung geht vor Aufteilung" gilt. Soweit eine Vorsteueraufteilung erfolgen muss, bleibt der Flächenschlüssel der vorrangige Aufteilungsmaßstab. Führt aber ein anderer Aufteilungsmaßstab (Umsatzschlüssel, Aufteilung nach umbautem Raum) zu einem präziseren Aufteilungsergebnis, kommt dieser Aufteilungsmaßstab zu Anwendung. Diese Grundsätze gelten grds. in allen offenen Fällen. In zwei Bereichen gewährt die Finanzverwaltung bis zur Veröffentlichung des Schreibens im BStBl eine Nichtbeanstandungsregelung:

  • Die Finanzverwaltung beanstandet es nicht, wenn der Unternehmer die Zuordnung von Vorsteuerbeträgen noch nach den bisherigen Grundsätzen (Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 6 und 7 UStAE in der bis zum 19.10.2022 geltenden Fassung) vorgenommen hat (dies betrifft die unmittelbare Zuordnung des Bauaufwands zu einzelnen Verwendungsumsätzen, wenn die Ausstattung oder die Geschoßhöhe der einzelnen Räume erheblich voneinander abweichen).
  • Weiterhin wird nicht beanstandet, wenn der Unternehmer sich wegen der Zuordnung von Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerken oder Betriebsvorrichtungen auf die bisherige Rechtsauffassung der Verwaltung beruft (Abschn. 15.2c Abs. 10 und Abschn. 15.6a Abs. 3 UStAE in der bis zum 19.10.2022 geltenden Fassung; bisher konnten diese Anlagen unabhängig davon, ob es sich um wesentliche Bestandteile des Gebäudes handelt, umsatzsteuerrechtlich als eigenständiges Zuordnungsobjekt behandelt werden; dies wurde jetzt dadurch präzisiert, dass dies nicht gilt, wenn es sich ertragsteuerrechtlich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten des gesamten Gebäudes handelt).

Hinweis: Aktuell hat die Finanzverwaltung noch zu weiteren Sachverhalten bei der Vorsteueraufteilung Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 18.11.2022, III C 2 - S 7306/19/10002 :002) und gewährt diesbzüglich eine Nichtbeanstandungsregelung bis 31.12.2022.

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Quelle: Haufe Online Redaktion
Autor: Prof. Rolf-R. Radeisen, StB, Dipl.-Kfm.

 

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