Verbandspräsident Zeng fordert Klarheit bei der Besteuerung von Bildungsleistungen
Verbandspräsident Sebastian Zeng hat sich wegen der Neuregelung der Besteuerung von Bildungsleistungen mit einem Hilferuf an das Thüringer Finanzministerium gewandt.
Problem 1: Alle Bildungsdienstleister brauchen neue Bescheinigungen
Der Deutsche Bundestag hat am 18.10.2024 das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) beschlossen. Der Bundesrat hat dem am 22.11.2024 zugestimmt. Das Gesetz wird die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) UStG an die europarechtlichen Vorgaben anpassen. Damit wird eine erhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs erreicht, die national deutlich über die unionsrechtlich zwingenden Maßnahmen hinausgeht. Bisher sind lediglich Bildungsleistungen nicht öffentlich-rechtlicher Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung vorbereiten. Ab dem 01.01.2025 wird die Befreiung Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulungen umfassen.
Sowohl im Referenten- als auch im Regierungsentwurf war die Abschaffung des bisherigen Bescheinigungsverfahrens vorgesehen. Stattdessen sollten Fortbildungsleistungen nur dann von der Umsatzsteuer befreit werden, wenn die Einrichtungen, die solche Leistungen erbringen, keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Dies stand ebenfalls im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Der Steuerberaterverband Thüringen begrüßt diesen Änderungsvorschlag – bot er doch für die allermeisten Anbieter ausreichend Flexibilität und lag auch im unionsrechtlich gebotenen Rahmen.
Völlig überraschend und sehr kurzfristig haben die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vor der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags zum JStG 2024 am 07.10.2024 einen Änderungsantrag in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Dieser schlug einen völlig anderen Weg ein, als es der Regierungsentwurf erwarten ließ, und hat den Bundestag passiert. Die Umsatzsteuerbefreiung soll nunmehr für sämtliche Bildungsleistungen unabhängig von einem systematischen Gewinnerzielungsstreben des Anbieters gelten. An dem bürokratischen Bescheinigungsverfahren wird entgegen dem Regierungsentwurf festgehalten – künftig für sämtliche der oben aufgezählten Bildungsleistungen.
Für gewerbliche Anbieter, die Fortbildungen bisher umsatzsteuerpflichtig angeboten haben, stellt diese kurzfristige Änderung eine erhebliche Schlechterstellung dar. Auf den ersten Blick lässt eine Steuerbefreiung zwar keine Verteuerung der angebotenen Bildungsleistung vermuten. Aufgrund der komplexen Strukturen des Umsatzsteuerrechts kann aber der Wegfall der Vorsteuerabzugsberechtigung zu erheblichen finanziellen Nachteilen für diese Anbieter führen.
Die am 22.11.2024 vom Bundesrat beschlossene Neufassung der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen ist erst am 02.10.2024 in das parlamentarische Verfahren eingebracht worden. Bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen am 01.01.2025 verblieben den Anbietern von Bildungsleistungen lediglich rund zweieinhalb Monaten. Gemessen an dem mit der Neuregelung einhergehenden Umstellungsaufwand ist diese Zeitspanne erheblich zu kurz. Dies gilt sowohl für alle Anbieter von Bildungsleistungen - unabhängig davon, ob diese bisher umsatzsteuerfreie oder -pflichtige Leistungen erbracht haben - als auch für die zuständigen Landesbehörden.
Sämtliche Anbieter haben infolge der Neuregelung in einem ersten Schritt zu prüfen, ob und wie die von ihnen erbrachten Bildungsleistungen davon betroffen sind. Nach der geplanten Neufassung muss die Bescheinigung beinhalten, dass die Einrichtungen „Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen“. Aus diesem Grund sind ausnahmslos alle Bildungsanbieter von der Neufassung betroffen.
Denn selbst solche Anbieter, die bereits über eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde verfügen, können diese nach dem geplanten Gesetzeswortlaut ab dem 01.01.2025 nicht mehr für Zwecke der Steuerbefreiung nutzen. Die gegenwärtig ausgegebenen Bescheinigungen bestätigen entsprechend des derzeit geltenden § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb UStG, dass die Einrichtungen „auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“. Der Gegenstand der Bescheinigung ist demnach künftig abweichend. Es ist faktisch ausgeschlossen, dass die Landesbehörden bis zum 01.01.2025 sämtlichen Anbietern die für die Steuerbefreiung notwendige Bescheinigung erteilen.
Anbieter müssten ihre Leistungen dann bis zur Bescheinigungserteilung umsatzsteuerpflichtig behandeln. Dies kann durch eine entsprechende Erhöhung des Angebotspreises erfolgen oder zu Lasten der Marge. Wird die Bescheinigung später mit Rückwirkung erteilt, stellen sich unter Umständen Folgefragen - wie die der Steuerschuld nach § 14c UStG.
Dabei ist auch zu beachten, dass die zu bescheinigenden Maßnahmen gerade im Bereich der Berufsfortbildung sich häufig auf Einzelmaßnahmen bzw. Einzelveranstaltungen beziehen. Bei denen ist fraglich, ob jeweils eine eigenständige Bescheinigung angefordert werden muss oder ob eine pauschale Bescheinigung für den Bildungsleistenden ausreichend ist.
Darüber hinaus kann gerade bei den neu zu bescheinigenden beruflichen Fortbildungsleistungen fraglich sein, welches die „zuständige Landesbehörde“ sein soll und ob dort die notwendige Fachkunde und Ausstattung für die Erstellung der Vielzahl an Bescheinigungen vorhanden ist. Fraglich kann beispielsweise sein, ob die Schulverwaltung bei speziellen beruflichen Fortbildungsangeboten im medizinischen Bereich oder im steuerrechtlichen Bereich die „zuständige Landesbehörde“ sein kann und sein will.
Nach Erhalt der Bescheinigung sind ferner die internen Abrechnungsprozesse umzustellen. Hierfür benötigen die betroffenen Anbieter, die die Umsatzsteuerbefreiung rechtssicher in Anspruch nehmen möchten, eine ausreichende Umsetzungsfrist.
Die sehr kurze Zeitspanne von rund zwei Monaten bringt auch die gewerblichen Anbieter, welche die Bildungsleistungen bisher umsatzsteuerpflichtig angeboten haben, in eine unzumutbare Lage. Das Inkrafttreten zum 01.01.2025 bietet ihnen keine Möglichkeit, ihre Kalkulationen und Verträge auf die neue Rechtslage anzupassen. Sie haben die Kalkulationen basierend auf der bisherigen Rechtslage - ausgehend von einer Umsatzsteuerpflicht und der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs - erstellt. Auf dieser Grundlage wurden die Bildungsangebote geplant und mit entsprechenden Programmen für 2025 bereits beworben. Verträge für 2025 sind teilweise bereits geschlossen worden. Eine Änderung der Verträge ließe sich praktisch nicht mehr umsetzen und ist in den meisten Fällen auch zivilrechtlich nicht möglich. Die Regelung würde darüber hinaus für alle schon laufenden Bildungsleistungen gelten, die erst nach dem 31.12.2024 abgeschlossen werden.
Wie beschrieben ist auch auf Seiten der zuständigen Landesbehörden von einem erheblichen Aufwand auszugehen. Die zuständigen Stellen werden zu prüfen haben, ob und wie die vorhandenen Bescheinigungen an die gesetzliche Neuregelung anzupassen sind. In den Ländern, die hierfür gesonderte Formulare zur Verfügung stellen, sind zwingend Anpassungen daran erforderlich.
Aufgrund der Ausweitung des Anwendungsbereichs durch die Neuregelung ist zudem kurzfristig mit einer hohen Anzahl an erstmaligen Anträgen auf Ausstellung einer Bescheinigung zu rechnen. Die Anträge müssen geprüft und die Bescheinigungen ausgestellt werden. Es würde sich voraussichtlich auch nicht um einen einmaligen Effekt auf der Seite der Verwaltung handeln: Die Berufsfortbildung ist durch viele – gerade unterschiedlich ausgestaltete – Angebote gekennzeichnet, sodass der Bildungsanbieter fortlaufend angepasste Bescheinigungen benötigt. Es müsste insoweit in den zuständigen Verwaltungen eine Ausweitung der Planstellen erfolgen.
Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit dem Bescheinigungsverfahren und der enormen Anzahl an Vorgängen ist nicht davon auszugehen, dass die Bescheinigungen rechtzeitig vorliegen werden. Eine Hängeparte, in der die Anbieter nicht wissen, ob ihnen die Bescheinigung erteilt wird und somit die Umsatzsteuerbefreiung greift, ist nicht zumutbar.
Angesichts der beschriebenen Belastungen für alle Anbieter wirbt der Steuerberaterverband Thüringen eindringlich für eine Verschiebung des Anwendungszeitpunkts vom 01.01.2025 auf den 01.01.2026 im Wege einer untergesetzlichen Nichtbeanstandungsregelung.
Problem 2: Regelung im Umsatzsteueranwendungserlass als Risiko für gewerbliche Anbieter
Die Neufassung der Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen legt nahe, dass die Steuerfreiheit bei nicht öffentlichen Einrichtungen an die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde geknüpft wird. Bildungsleistungen sind danach erst dann steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bestätigt, dass eine Einrichtung Schul- oder Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulungen erbringt (§ 4 Nr. 21 Buchst. a) UstG n. F.
Für gewerbliche Anbieter, die ihre Leistungen bisher umsatzsteuerpflichtig erbringen und planen, dies künftig fortzuführen, bietet die Neufassung die Möglichkeit, dies zu erreichen, indem sie keine Bescheinigung beantragen. Dies geht allerdings mit einem erheblichen Risiko einher. Denn nach Abschn. 4.21.5 Abs. 2 Satz 1 UStAE kann die Bescheinigung bisher durch die Finanzbehörden bei der zuständigen Landesbehörde beantragt werden. Die Bescheinigung kann auch rückwirkend ausgestellt werden. Beantragt die Finanzbehörde sie etwa im Rahmen einer Außenprüfung, können sich durch eine nachträglich festgestellte Umsatzsteuerfreiheit erhebliche finanzielle Nachteile für die Anbieter ergeben. Durch die damit im Zusammenhang stehende Versagung des Vorsteuerabzugs für mehrere zurückliegende Jahre würden sich kaum kalkulierbare Nachzahlungen ergeben.
Die für gewerbliche Anbieter mit dem Bescheinigungsverfahren einhergehende Rechtsunsicherheit muss dringend untergesetzlich ausgeschlossen werden. Hierzu sollte Abschn. 4.21.5 Abs. 2 Satz 1 UStAE wie folgt geändert werden: „Die Erteilung der Bescheinigung kann bei der zuständigen Landesbehörde nur vom Unternehmer beantragt werden. Eine Beantragung vom Amts wegen kann nicht erfolgen.“
Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 04.05.2006 - 10 C 10/05) die Landesbehörde zur Prüfung der Voraussetzungen der Bescheinigung verpflichtet ist, sobald sie über den Fall in Kenntnis gesetzt wurde. Der Antrag muss nicht durch den betroffenen Unternehmer gestellt werden. Es kann sich demnach ereignen, dass die Landesbehörde von Dritten (z. B. Konkurrenten) beauftragt wird, eine Bescheinigung für einen Anbieter zu erteilen. Dies würde im gewerblichen (Fort-)bildungsbereich zu erheblichen negativen Konsequenzen führen. Neben den bereits dargestellten Folgen ist zu beachten, dass die Ausweitung der Steuerbefreiung zu erheblichem Vorsteuerkorrekturvolumen i.S.d. § 15a UStG führen wird.
Darüber hinaus wird für angemietete Räumlichkeiten eine Option zur Steuerpflicht des Vermieters nicht mehr möglich sein. Dies führt dazu, dass Bildungsanbieter den fehlenden Vorsteuerabzug des Vermieters im Wege eines Steuerschadens kompensieren müssen. Es wird unter diesen Bedingungen für Bildungsanbieter auch deutlich schwieriger, geeignete Schulungsräume anzumieten. Die Mietaufwendungen steigen infolgedessen mitunter erheblich. Diese Folgen können sogar rückwirkend eintreten, wenn die Bescheinigung der Landesbehörde mit Rückwirkung erteilt wird. Dies könnte sich dann auch rückwirkend auf die umsatzsteuerrechtliche Situation eines Vermieters negativ auswirken, so dass zu befürchten ist, das Vermieter vor dem Hintergrund dieses spezifischen umsatzsteuerrechtlichen Risikos auf die Vermietung an Bildungsträger verzichten werden.
Exakt diese unerwünschten Folgen haben dazu geführt, dass die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP die ursprünglich im Regierungsentwurf des JStG 2024 geplante Ausweitung der Steuerbefreiung im Sport (§ 4 Nr. 22 Buchst. c) UStG-E) ersatzlos gestrichen haben. Dies erfolgte auch auf Bitten des Bundesrats, der vergleichbare Risiken für Kommunen und Vereine im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug sah (vgl. Stellungnahme des Bundesrats, BR-Drs. 369/24 (B), Rz. 65, Pressemitteilung der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen und Hessen vom 18.10.2024).
Ausgehend von den oben dargestellten Erwägungen wurde das Thüringer Finanzministerium gebeten, sich für eine faire Ausgestaltung der Neuregelung der Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen auf Bundesebene einzusetzen. Zum einen durch die Gewährung ausreichender Rechtssicherheit, indem im Umsatzsteuer-Anwendungserlass klargestellt wird, dass die Bescheinigung nur vom Unternehmer beantragt werden kann. Zum anderen durch die Gewährung einer angemessenen Umsetzungsfrist für die betroffenen Anbieter. Die bürokratische Einholung der erforderlichen Bescheinigungen wird in dieser kurzen Zeit nicht möglich sein. Der Anwendungszeitpunkt sollte mindestens um ein Jahr verschoben werden.