Steuerberaterverband Thüringen e.V.

Rentenverwaltung im Familienbesitz 

Die schuldbefreiende Übernahme der Pensionsverpflichtungen von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern

Ziele des Unternehmers

Die GmbH soll ohne Pensionsverpflichtungen verkauft, liquidiert oder innerhalb der Familie übertragen werden. Die zu verkaufende GmbH soll von allen Verpflichtungen aus der Pensionszusage endgültig und fallabschließend befreit werden.

Übertragung auf einen Pensionsfonds als ersten Schritt

Durch die Übertragung der Verpflichtungen nach § 3/66 EStG wird in der Steuer- und Handelsbilanz eine entsprechende Verkürzung bzw. Bereinigung vorgenommen. Die GmbH schließt mit dem Pensionsfonds einen Versorgungsvertrag ab. Der Versorgungsberechtigte hat danach einen direkten Anspruch gegenüber dem Pensionsfonds, die GmbH ist aber weiterhin für die Zusage „verantwortlich“. Bei einer aufsichtsrechtlichen Unterdeckung muss die GmbH grundsätzlich nachfinanzieren, hat aber gleichzeitig bei einer Überdeckung bzw. wenn kein Versorgungsberechtigter mehr da ist, das Recht auf Rückführung des Pensionsfondsvermögens.

Die Möglichkeiten für eine echte schuldbefreiende Übertragung als zweiten Schritt

Die echte schuldbefreiende Übertragung kann unmittelbar nach der Auslagerung auf den Pensionsfonds oder aber auch zu einem späteren, beliebigen Zeitpunkt erfolgen. Die Übertragung der Verpflichtung wird im Rahmen eines Arbeitgeberwechsels durchgeführt. Das Trägerunternehmen kann u. a. eine Kapital- oder eine Personengesellschaft sein.

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) hat sich hier für alle Beteiligten als einfachste Variante angeboten. Sie muss aus mindestens zwei Gesellschaftern bestehen. Der Versorgungsberechtigte kann Gesellschafter sein. Sollte die Pensionsfondszusage eine Hinterbliebenenleistung vorsehen, darf der zweite Gesellschafter nicht aus der Pensionszusage im Todesfall berechtigt sein (Konfusion). Eine Alternative könnten die volljährigen Kinder oder andere beliebige Erben sein.

 

Der Gesellschaftszweck der GbR ist die Verwaltung des bestehenden Pensionsfondsvertrages mit der entsprechenden Zusage.

 

Hierbei handelt es sich nicht um ein Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB, sondern um ein gemeinsames Interesse der Familie. Erforderlich ist ein Vertrag zwischen der GmbH, dem Versorgungsberechtigten und der GbR über die schuldbefreiende Übertragung der Pensionsfondszusage. Der Pensionsfonds muss dem Schuldnerwechsel ausdrücklich schriftlich zustimmen.

Alle Rechte und Pflichten aus der Pensionsfondszusage gehen auf die GbR über. Eine eventuelle Nachschussverpflichtung der Gesellschaft bei einer aufsichtsrechtlichen Unterdeckung des Pensionsfondsvermögens, mit der Folge einer versicherungsförmigen Zwangsumstellung wird durch eine Übertragung auf eine Rentenverwaltung GbR grundsätzlich nicht vermieden. Die im Pensionsplan vorgesehene Möglichkeit der Teilkündigung erhöht jedoch die Flexibilität und den Handlungsspielraum der Gesellschaft sowie des Versorgungsberechtigten bei Beibehaltung des Kapitalvermögens im vollen Umfang. Auch bei Ableben des letzten Versorgungsberechtigten verbleibt das freiwerdende Kapital in der Familie.

Auch nach der Übertragung handelt es sich nach aufsichtsrechtlicher Bewertung weiterhin um eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des BetrAVG. Das klassische „Dreiecksverhältnis“ der bAV bleibt bestehen. Arbeitsrechtlich sind jedoch einige Dinge sehr individuell zu betrachten.

 

Das Wichtigste ist, dass es sich um Anwartschaften von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern oder bei bereits laufenden Rentenleistungen von ehemaligen, beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern handeln muss. Also jene, die nicht unter das Betriebsrentengesetz fallen.

 

Steuerrechtlich ist anzumerken, dass der für die Auslagerung gestellte Antrag nach § 4e EStG nur einmal bei der Auslagerung gestellt werden muss. Die 10-Jahresverteilung nach der Übertragung verbleibt bei der abgebenden GmbH.

Durch die schuldbefreiende Übertragung auf die GbR wird kein steuerpflichtiger Vorgang ausgelöst, insbesondere findet kein Zufluss des vorhandenen Versorgungsvermögens bei der GbR oder bei dem Versorgungsberechtigten statt. Eine Meldepflicht an das Betriebsstätten-Finanzamt besteht ebenfalls nicht.

 

Mein Beratungs- und Umsetzungsprozess „der echten schuldbefreienden Übernahme der Pensionsverpflichtungen“ inklusive einer entsprechenden Haftungsübernahme, wird von einem erfahrenen, darauf spezialisierten Fachanwalt für Steuerrecht, Herrn RA Erwin Miller (bekannt durch den Prozess um das Thema Rentner-GmbH BFH VI R18/13) begleitet und sichergestellt.

 

Kontakt

René Koller
Betriebswirt für betriebliche Altersversorgung (FH)
HDI Vertriebs AG GD Erfurt
Futtergasse 2
06567 Bad Frankenhausen/Kyffh.

Telefon 034671 529785
Mobil 0172 3615451
rene.koller@hdi.de


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Abschlussprüferhaftung nach dem FISG

Einführung

Durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität [FISG] sind die Haftungsgefahren für Abschlussprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertretern einer Prüfungsgesellschaft deutlich gestiegen.

Bei der vertraglichen Haftung gegenüber der geprüften Gesellschaft gelten höhere Haftungshöchstsummen (§ 323 Abs. 2 S. 1, 3 u. 4 HGB) und die unbeschränkte Haftung bei der Prüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen von öffentlichem Interesse ist auf Fälle von grober Fahrlässigkeit ausgedehnt worden (§ 323 Abs. 2 S. 2 HGB). Zudem droht jetzt bereits bei der leichtfertigen und nicht erst bei der vorsätzlichen Erteilung eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerks zu dem Jahresabschluss eines Unternehmens von öffentlichem Interesse eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 332 Abs. 3 HGB gegenüber den Anlegern der geprüften Gesellschaft.

Der Beitrag gibt einen Überblick über die Haftungsverschärfungen und erläutert die möglichen Auswirkungen auf die Abschlussprüferhaftung.

I.    Haftungsverschärfung gegenüber der geprüften Gesellschaft

1.  Vertragliche Haftung

Die vertragliche Haftung des Abschlussprüfers, seiner Gehilfen und der bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesell­schaft ist in § 323 HGB geregelt. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Sonderregelung für die Abschlussprüferhaftung bei gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfungen, die in ihrem Anwendungsbereich sonstige Regelungen zur vertraglichen Haftung verdrängt. (OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.11.1998 – 8 U 59/98, NZG 1999, 901.)

Nach § 323 Abs. 1 S. 3 HGB sind der Abschlussprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesell­schaft der geprüften Gesellschaft und mit ihr verbundenen Unternehmen zum Schadenersatz verpflichtet, wenn sie bei der Abschlussprüfung fahrlässig oder vorsätzlich ihre Pflichten verletzen.

Auch wenn § 323 Abs. 1 S. 3 HGB nach seinem Wortlaut nur eine Haftung gegenüber der geprüften Gesellschaft und verbundenen Unternehmen vorsieht, ist denkbar, dass ein Prüfvertrag Schutzwirkung zugunsten eines Dritten entfalten kann. Die Rechtsprechung stellt zur Vermeidung einer uferlosen Haftung des Abschlussprüfers aber sehr strenge Anforderungen an die vertragliche Einbeziehung von Dritten in den Schutzbereich des Prüfvertrags. (BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, DStR 1998, 823)

Anleger können einen Abschlussprüfer selbst dann nicht nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Anspruch nehmen, wenn dessen Bestätigungsvermerk mit seiner Kenntnis im Zusammenhang mit einem Börsengang oder der Ausgabe von Wertpapieren in einem Verkaufsprospekt veröffentlicht worden ist. (BGH, Beschl. v. 23.1.2019 – VII ZR 3/18, juris.)

Der fehlende vertragliche Drittschutz zugunsten der Anleger der geprüften Gesellschaft hat zur Konsequenz, dass Anleger bei der Inanspruchnahme des Abschlussprüfers auf gesetzliche Anspruchsgrundlagen ausweichen. Von praktischer Bedeutung sind hier vor allem die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nach § 826 BGB oder die Haftung wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB, wobei § 323 HGB kein Schutzgesetz ist. (OLG Hamm, Urt. v. 3.2.2014 – I-8 U 47/10, juris Rn. 195)

2.  Neue Haftungshöchstsummen

Nach § 323 Abs. 2 HGB aF war die vertragliche Haftung des Abschlussprüfers, seiner Gehilfen und der bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter der Prüfungsgesell­schaft gegenüber der geprüften Gesellschaft für alle Fälle der Fahrlässigkeit auf 1 Mio. Euro für eine einzelne Prüfung begrenzt. Bei Aktiengesellschaften, deren Aktien zum Handeln im regulierten Markt zugelassen sind, betrug die Haftungshöchstsumme bei einfacher und grober Fahrlässigkeit einheitlich 4 Mio. Euro. Eine unbeschränkte Haftung drohte nur bei einem vorsätzlichen Prüfungsfehler.

Durch das FISG sind die Haftungshöchstsummen in § 323 Abs. 2 HGB deutlich heraufgesetzt worden, wobei die Erhöhungen bei einfacher und grober Fahrlässigkeit unter der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des geprüften Unternehmens unterschiedlich hoch ausfallen (§ 323 Abs. 2 S. 1, 3 u. 4 HGB). Darüber hinaus ist die unbeschränkte Haftung bei Vorsatz auf Fälle von grober Fahrlässigkeit bei der Abschlussprüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen im öffentlichen Interesse erweitert worden (§ 323 Abs. 2 S. 2 HGB).

Die Haftungsverschärfungen bei grober Fahrlässigkeit gelten nach dem Wortlaut von § 323 Abs. 2 S. 2, 3 u. 4 HGB nur für den Abschlussprüfer selbst, nicht für dessen Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft. Für diese gilt bei einfacher und grober Fahrlässigkeit einheitlich die Haftungsobergrenzen für einfache Fahrlässigkeit nach § 323 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 HGB.

Die Haftungshöchstsumme nach § 323 Abs. 1 S. 1, 3 u. 4 HGB gelten für jede einzelne Abschlussprüfung. Wiederholt sich ein Prüfungsfehler im Folgejahr oder in den Folgejahren, gilt die einschlägige Haftungshöchstsumme für jede betroffene Abschlussprüfung, soweit die sonstigen Voraussetzungen für eine Haftung nach § 323 Abs. 1 S. 3 HGB jeweils erfüllt sind. (Ebke, Münchener Kommentar zum HGB, 4. Aufl. 2020, § 323 Rn. 72)

 

Im Einzelnen gilt Folgendes:

Einfache Fahrlässigkeit

Bei einfacher Fahrlässigkeit des Abschlussprüfers, seiner Gehilfen und der bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft ergeben sich nach dem FISG folgende erhöhte Haftungsobergrenzen:

§  16 Mio. Euro bei der Prüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen im öffentlichen Interesse (§ 316a S. 2 Nr. 1 HGB) (§ 323 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HGB).

§  4 Mio. Euro bei der Prüfung von sonstigen Unternehmen im öffentlichen Interesse (§ 316a S. 2 Nr. 2 u. 3 HGB), also Banken und Versicherungen, die nicht kapitalmarktorientiert sind (§ 323 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGB).

§  1,5 Mio. Euro bei der Prüfung aller sonstigen Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften iSv § 264a Abs. 1 HGB (§ 323 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 HGB).

Grobe Fahrlässigkeit

Bei grober Fahrlässigkeit des Abschlussprüfers gelten folgenden Haftungshöchstsummen:

§  32 Mio. Euro bei der Prüfung von sonstigen Unternehmen im öffentlichen Interesse (§ 323 Abs. 2 S. 3 HGB).

§  12 Mio. Euro für alle sonstigen Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften (§ 323 Abs. 2 S. 4 HGB).

§  Bei einem kapitalmarktorientierten Unternehmen von öffentlichem Interesse haftet der Abschlussprüfer bei grober Fahrlässigkeit unbeschränkt (§ 323 Abs. 2 S. 2 HGB). Er kann sich also auf keine Haftungsobergrenze berufen.

Vorsatz

Bei Vorsatz können sich weder der Abschlussprüfer noch seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft auf eine Haftungsobergrenze berufen. Sie haften vielmehr nach § 323 Abs. 2 S. 2 HGB in unbeschränkter Höhe.

Für ein vorsätzliches Handeln ist nicht erforderlich, dass der Abschlussprüfer die Schadenentstehung billigend in Kauf nimmt, denn aus dem Wortlaut von § 323 Abs. 1 S. 3 HGB ergibt sich, dass sich sein Verschulden nur auf die Pflichtverletzung erstrecken muss.

Mehrere Beteiligte

Sind mehrere an der Abschlussprüfung beteiligte Personen ersatzpflichtig, dann haften diese nach § 323 Abs. 1 S. 4 HGB als Gesamtschuldner. § 323 Abs. 2 S. 5 HGB stellt allerdings klar, dass der Abschlussprüfer, der nur mit einfacher Fahrlässigkeit einen Prüfungsfehler begangen hat, sich auch dann auf die für ihn geltende Haftungsobergrenze für einfache Fahrlässigkeit berufen darf, wenn andere an der Abschlussprüfung beteiligte Personen sich wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht auf die Haftungshöchstsumme für einfache Fahrlässigkeit berufen können. Die Regelung berücksichtigt ebenso wie schon § 323 Abs. 2 S. 3 HGB aF, dass bei großen Abschlussprüfungen der gewählte Abschlussprüfer oftmals andere Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater als Spezialisten hinzuzieht, die als Angehörige freier Berufe selbst zur eigenverantwortlichen Berufsausübung verpflichtet sind und daher nicht unselbstständige Gehilfen sind, wie sie das Gesetz bei § 278 BGB vor Augen hat.

Mehrere Prüfungsfehler

Bei mehreren Prüfungsfehler des Abschlussprüfers im Rahmen einer Abschlussprüfung steht die jeweils geltende Haftungshöchstsumme nach dem Wortlaut von § 323 Abs. 2 S. 1 HGB nur einmal zur Verfügung. Eine Kumulierung der Haftsummen findet nicht statt. (OLG Frankfurt, Urt. v. 14.8.2014 – 6 U 114/08, juris Rn. 138 betr. § 323 Abs. 2 HGB aF)

Beweislast

Die Beweislast dafür, dass der Abschlussprüfer grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat und sich deshalb nicht auf die Haftungsobergrenze für einfache Fahrlässigkeit nach § 323 Abs. 2 S. 1 HGB berufen kann, liegt wie nach dem alten Recht bei der geprüften Gesellschaft als Anspruchstellerin. (BT-Drs. 19/26966 S. 104, 105) Die allgemeine Darlegungs- und Beweislastregelung nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB findet keine Anwendung. Zugunsten des Geschädigten kann aber von der Schwere der Pflichtverletzung ein Schluss auf den Grad des Verschuldens zulässig sein. Außerdem kann den Abschlussprüfer im subjektiven Bereich der Vorwerfbarkeit eine sekundäre Darlegungslast zu den Umständen seines Handelns treffen. (KG Berlin, Urt. v. 22.5.2018 – 12 U 16/14, juris Rn. 38 betr. Haftung des Sacheinlagenprüfers.)

Abweichenden Vereinbarungen

§ 323 Abs. 4 HGB bestimmt, dass von § 323 Abs. 2 S. 1, 2, 3 u. 4 HGB abweichende Vereinbarungen, also etwa eine Haftungsobergrenze im Falle der groben Fahrlässigkeit bei der Prüfung eines kapitalmarktorientieren Unternehmen von öffentlichem Interesse oder eine niedrigere Haftungshöchstsumme für Fälle der groben Fahrlässigkeit bei der Prüfung einer sonstigen Kapitalgesellschaft verboten sind. Gleichwohl geschlossene Vereinbarungen sind nichtig. Ein entsprechendes Verbot ist auch in § 18 BS WP/vBP festgeschrieben.

Andere gesetzliche Prüfungen

Die Erhöhung der Haftsummen (§ 323 Abs. 2 S. 1, 3 u. 4 HGB) und die Erweiterung der unbeschränkten Haftung auf Fälle der groben Fahrlässigkeit bei der Prüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen von öffentlichem Interessen (§ 323 Abs. 2 S. 1 HGB) wirken sich auch für Prüfungstätigkeiten außerhalb der Jahresabschlussprüfung aus, wenn im Rahmen der für diese Prüfungen geltenden Regelungen hinsichtlich der Haftung auf § 323 HGB verwiesen wird.

Beispiele:

§  Gründungs- und Nachgründungsprüfungen (§§ 49, 53 AktG) (Zur Haftung des Sachkapitalerhöhungsprüfers siehe KG Berlin, Urt. v. 22.5.2017 – 12 U 16/14, juris.)

§  Verschmelzungsprüfung (§§ 9, 11 Abs. 2 UmwG)

§  Aktienrechtliche Sonderprüfungen (§§ 144, 258 Abs. 5 S. 1 AktG)

§  Prüfungen nach dem EEG (§ 75 Abs. 4 EEG)

(…)

Erstmalige Anwendung

Die erhöhten Haftungshöchstsummen nach § 323 Abs. 2 S. 1, 3 u. 4 HGB und die Erweiterung der unbeschränkten Haftung bei grober Fahrlässigkeit bei der Prüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen von öffentlichem Interesse gelten für gesetzliche Abschlussprüfungen für nach dem 31.12.2021 beginnende Geschäftsjahre.

Für gesetzliche Prüfungen, für die hinsichtlich der Haftung auf § 323 HGB verwiesen wird, gibt es nach dem Wortlaut von Art. 86 Abs. 1 S. 1 HGBEG keine Übergangsfristen. Die erhöhten Haftungshöchstsummen gelten für diese Prüfungen daher bereits seit dem 1.7.2021.

Freiwillige Abschlussprüfung

Die Haftungshöchstsummen nach § 323 Abs. 2 S. 1, 3 u. 4 HGB und die nicht abdingbare unbeschränkte Haftung in Fällen von grober Fahrlässigkeit bei der Prüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen von öffentlichem Interesse gelten nur für gesetzlich vorgeschriebene Jahresabschlussprüfungen.

Für freiwillige Abschlussprüfungen kann der Abschlussprüfer wie bisher seine Haftung nach § 54a Abs. 1 WPO durch Vereinbarung im Einzelfall oder vorformulierte Auftragsbedingungen für alle Fälle der Fahrlässigkeit beschränken.

Bei einer Haftungsbeschränkung durch vorformulierte Auftragsbedingungen muss die Haftsumme nach § 54a Abs. 1 Nr. 2 WPO mindestens 4 Mio. Euro betragen und insoweit muss Versicherungsschutz bestehen. Die Vereinbarung einer höheren Haftungsobergrenze ist möglich, wenn die Deckungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung entsprechend angepasst wird.

Deliktische Haftung

Für eine deliktische Haftung (§§ 823 ff. BGB) des Abschlussprüfers gegenüber der geprüften Gesellschaft ist kein Raum, wenn hierdurch die Haftungshöchstsummen nach § 323 Abs. 2 S. 1, 3 u 4 HGB unterlaufen würde. (OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.6.2021 – 22 U 31/20, juris Rn. 150) Bei einer deliktischen Haftung gegenüber den Anlegern der geprüften Gesellschaft kann sich der Abschlussprüfer dagegen nicht auf eine Haftungshöchstsumme berufen. (Ebke, Münchener Kommentar zum HGB, 4. Aufl. 2020, § 323 Rn. 72) Ist Abschlussprüfer eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, muss sich diese ein deliktisches Handeln ihres gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen (§ 31 BGB).

3.  Feststellung des Verschuldensgrades

Einfache Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Abschlussprüfer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. § 276 Abs. 2 BGB), wobei im Bereich der Abschlussprüferhaftung die Sorgfalt eines gewissenhaften und unparteiischen Abschlussprüfers gemeint ist (§ 323 Abs. 1 S. 1 HGB).

Ein grob fahrlässiges Handeln des Abschlussprüfers soll nach der Gesetzesbegründung zum FISG gegeben sein, wenn der Abschlussprüfer die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht lässt und nicht das beachtet, was sich im gegebenen Fall jedem Abschlussprüfer in vergleichbarer Lage hätte aufdrängen müssen. (BT-Drs. 19/26966, 104, 405.) Der Abschlussprüfer muss also einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt haben.

Die Unterscheidung von einfacher und grober Fahrlässigkeit war schon vor dem Inkrafttreten des FISG von praktischer Bedeutung, wenn es um die Frage ging, ob und inwieweit ein vorsätzliches Handeln der gesetzlichen Vertreter der geprüften Gesellschaft vor und bei der Aufstellung des Jahresabschlusses als zurechenbares Mitverschulden der geprüften Gesellschaft (§§ 254, 31 BGB) zu einer Haftungsminderung oder sogar zu einem völligen Zurücktreten der vertraglichen Haftung des Abschlussprüfers führt. (BGH, Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, DStR 2010, 340; OLG Braunschweig, Urt. v. 8.5.2013 – 3 U 70/12, GI 2018, 184)

Ein Verschulden in Form von grober Fahrlässigkeit liegt danach beispielsweise vor, wenn der Abschlussprüfer im Rahmen der Abschlussprüfung pflichtwidrig auf die Einholung von Bankbestätigungen verzichtet und sich auf Angaben des Geschäftsführers der geprüften Gesellschaft verlässt und in seinem Bestätigungsvermerk nicht darauf hinweist, dass eine zuverlässige Vollständigkeitsprüfung nicht möglich war, weil die Geschäftsleitung sich trotz mehrfacher Aufforderung geweigert hat, eine Bankbestätigung vorzulegen. (BGH, Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, DStR 2010, 340 Rn. 38 u. 39)

Auch wenn der Abschlussprüfer im Prüfgebiet Lieferungen und Leistungen in Bezug auf die wichtigen Kunden mit einem Umsatz von über 1 Mio. Euro entgegen dem Wesentlichkeitsgrundsatz (§ 317 Abs. 1 S. 3 HGB) weder eine fachgerechte Saldenbestätigungsaktion durchführt noch sich in anderer Weise ein verlässliches Bild von der Werthaltigkeit des Forderungsbestandes verschafft hat und deshalb nicht merkt, dass in erheblichem Umfang Scheinrechnungen für fingierte Absatzgeschäfte in Höhe von über 10% der Umsatzerlöse verbucht worden sind, ist von grober Fahrlässigkeit auszugehen. (OLG Frankfurt, Urt. v. 14.8.2013 – 6 U 114/08, juris.) Dasselbe gilt, wenn der Abschlussprüfer die Hintergründe einer ungewöhnlich hohen und in zeitlicher Hinsicht auffälligen Forderung nicht aufklärt. (OLG Köln, Urt. v. 21.2.2013 – 8 U 2/10, DStRE 2015, 125 Rn. 34)

Dagegen scheidet ein grob fahrlässiges Handeln aus, wenn der Abschlussprüfer es zwar über mehrere Jahre pflichtwidrig unterlassen hat, Bankbestätigungen einzuholen, er aber ersatzweise versucht hat, sich Grundlagen für die Prüfung der Bankkonten zu verschaffen, indem er sich eine Vollständigkeitserklärung des Geschäftsführers, die Buchhaltung des Unternehmens und die Kontoauszüge der Banken hat vorlegen lassen. (BGH, Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08 DStR 2010, 774. Rn. 52)

Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass sich bei der Unterscheidung von einfacher und grober Fahrlässigkeit im Einzelfall erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben können. Im Haftpflichtprozesses wird dies in aller Regel zur Folge haben, dass die Gerichte mangels eigener Sachkunde nicht nur hinsichtlich der Frage, in welchen Punkten die Abschlussprüfung möglicherweise mangelhaft war, sondern auch hinsichtlich der Feststellung des Verschuldensgrades ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen einholen müssen.

4.  Haftpflichtprozesse mit höheren Streitwerten

Welche Auswirkungen sich aus der Anhebung der Haftungshöchstsummen und der Erweiterung der unbeschränkten Haftung nach § 323 Abs. 2 S. 1-4 HGB auf die Abschlussprüferhaftung im Einzelnen ergeben, lässt sich im Moment im Einzelnen nicht absehen.

Die deutliche Erhöhung der Haftungsobergrenzen bei einfacher und grober Fahrlässigkeit und die Erweiterung der unbeschränkten Haftung bei der Prüfung eines kapitalmarktorientierten Unternehmens werden aber voraussichtlich zu Haftpflichtansprüchen mit deutlich höheren Gegenstandswerten führen. Zudem werden wohl Streitigkeiten, in denen es um die Abgrenzung von einfacher und grober Fahrlässigkeit geht, zunehmen. Vor allem aus Sicht der geprüften Gesellschaft, die ihren Abschlussprüfer wegen eines Prüfungsfehlers in Anspruch nehmen will, kann es, je nachdem wie hoch der vermeintliche Schaden ist, wirtschaftlich einen großen Unterschied machen, ob der Abschlussprüfer mit der einschlägigen Haftungshöchstsumme für grobe Fahrlässigkeit haftet oder ob er die niedrigere Haftungsobergrenze für einfache Fahrlässigkeit einwenden kann.

Dagegen werden haftungsrechtliche Streitigkeiten darüber, ob der Abschlussprüfer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, in der Praxis wohl an Bedeutung verlieren. Bereits in der Vergangenheit war der Nachweis eines vorsätzlichen Prüfungsfehlers kaum möglich. Selbst wenn der Nachweis eines vorsätzlichen Handelns des Abschlussprüfers ausnahmsweise gelingt, ist dies wenig zielführend, denn in diesem Fall steht der Abschlussprüfer ohne Versicherungsschutz dar (§ 54 Abs. 3 Nr. 1 WPO).

Hinzu kommt, dass durch die Heraufsetzung der Haftungsobergrenzen bei einfacher und grober Fahrlässigkeit und der Erweiterung der unbeschränkten Haftung bei grober Fahrlässigkeit bei der Prüfung eines kapitalmarktorientierten Unternehmens von öffentlichem Interesse wohl nur noch wenige Haftungsfälle verbleiben werden, in denen der Ausgleich eines Schadens an einer Haftungshöchstsumme nach § 323 Abs. 2 S. 1, 3 u. 4 HGB scheitern wird. Damit dürfte in den meisten Fällen jedes Bedürfnis für ein Streit darüber, ob der Abschlussprüfer fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat, fehlen.

Speziell in den Fällen, in denen der Abschlussprüfer von dem Insolvenzverwalter der geprüften Gesellschaft wegen einer angeblich durch seinen Prüfungsfehler mitverursachten Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen wird, werden die unterschiedlich hohen Haftungsobergrenzen bei einfacher und grober Fahrlässigkeit bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen im öffentlichen Interesse einerseits und sonstigen Kapitalgesellschaften und diesen gleich gestellten Personengesellschaften andererseits dazu führen, dass der Insolvenzverwalter tendenziell wohl eher eine grob fahrlässige als eine einfach fahrlässige Pflichtverletzung des Abschlussprüfers behaupten wird, um die Masse mit der erhöhten Haftungshöchstsumme bei grober Fahrlässigkeit zu stärken.

Liegt der Zeitpunkt der Insolvenzreife wegen Überschuldung i.S.v. 19 Abs. 2 S. 1 InsO nach Ansicht des Insolvenzverwalters dann noch mehrere Jahre zurück, kann dies zur Folge haben, dass der Insolvenzverwalter den Abschlussprüfer wegen mehrerer mangelhafter Abschlussprüfungen auf Ersatz des durch die verspätete Insolvenzanmeldung entstandenen Schadens in Anspruch nehmen wird. (Zur Frage, ob der Insolvenzverwalter insoweit überhaupt aktiv legitimiert ist, siehe Brügge, Zur Haftung des Steuerberaters gegenüber einer insolventen Gesellschaft wegen verspäteter Insolvenzanmeldung, VersR 2018, 705; Meixner, Haftung des GmbH-Geschäftsführers und des Steuerberaters für Insolvenzverschleppungsschäden, DStR 2018, 1025) Sind etwa drei Abschlussprüfungen einer sonstigen Kapitalgesellschaft betroffen und behauptet der Insolvenzverwalter hinsichtlich jeder Prüfung einen grob fahrlässigen Prüfungsfehler, kann es nach dem FISG bei einem entsprechend hohen Insolvenzverschleppungsschaden leicht um eine Schadenersatzforderung in Höhe von 36 Mio. Euro (3 x 12 Mio. Euro nach § 323 Abs. 2 S. 4 HGB) gehen. Nach § 323 Abs. 2 HGB aF hätte bei einer solchen Fallkonstellation das maximale Haftungsrisiko des Abschlussprüfers für alle betroffenen Abschlussprüfungen selbst bei grober Fahrlässigkeit bei maximal 3 Mio. Euro (3 x 1 Mio. Euro) gelegen.

Und selbst wenn in einem solchen Fall die vollständige oder teilweise prozessuale Abwehr des behaupteten Insolvenzverschleppungsschadens gelingt, weil dem Abschlussprüfer kein Prüfungsfehler unterlaufen ist oder er einen Prüfungsfehler nur mit einfacher Fahrlässigkeit begangen hat, steigen wegen der gegenüber dem alten Recht hohen Gegenstandswerte die Kosten für die Abwehr dieser Ansprüche erheblich an, ohne dass sichergestellt ist, dass diese bei einem ganz oder teilweisen prozessualen Obsiegen des Abschlussprüfers vom Insolvenzverwalter aus der Masse erstattet werden. Vielmehr muss der Abschlussprüfer in einem solchen Fall hinnehmen, dass sein Kostenerstattungsanspruch wegen Masseunzulänglichkeit unbefriedigt bleibt. (BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, DStR 2013, 2081 Rn. 9)

5.  Anpassung des Versicherungsschutzes

Die massive Risikoerhöhung infolge der Heraufsetzung der Haftungshöchstsummen (§ 323 Abs. 2 S. 1, 3 u. 4 HGB und der Erweiterung der unbeschränkten Haftung bei grober Fahrlässigkeit bei der Prüfung eins kapitalmarktorientierten Unternehmens von öffentlichem Interesse (§ 323 Abs. 2 S. 2 HGB) machen eine Anpassung des Versicherungsschutzes erforderlich (§ 27 BS WP/vBP), denn die Mindestversicherungssumme zur Berufshaftpflichtversicherung beträgt nach dem FISG unverändert 1 Mio. Euro (§ 54 Abs. 4 WPO).

Die notwendige Erhöhung der Deckungssumme kann entweder unmittelbar im Rahmen der Berufshaftpflichtversicherung nach § 54 WPO erfolgen oder durch einen separaten Vertrag als Objektdeckung für eine einzelne Prüfung.

Ein Verzicht auf die Anpassung des Versicherungsschutzes birgt nicht nur die Gefahr, dass die zum Zeitpunkt des Prüfungsfehlers vereinbarte Deckungssumme nicht ausreicht, um einen begründeten Schadenersatzanspruch der geprüften Gesellschaft zu befriedigen. Eine zu niedrige Deckungssumme kann sich auch schon bei der Abwehr von Schadenersatzansprüchen nachteilig auswirken. Denn wenn der behauptete Schaden die vereinbarte Deckungssumme im Zeitpunkt des fehlerhaften Testats überschreitet, übernimmt der Versicherer bei einem Haftpflichtprozess im Rahmen des von ihm zu gewährenden Rechtsschutzes nach den üblichen Versicherungsbedingungen nur die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert, der der niedrigen Deckungssumme im Zeitpunkt des Prüfungsfehlers entspricht.

III. Risikoerhöhung bei leichtfertiger Erteilung eines unrichtigen Bestätigungsvermerks

Die vorsätzliche Erteilung eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerks bei einer nach dem Handelsrecht vorgeschriebenen Abschlussprüfung war schon immer strafbar (§ 332 Abs. 1 HGB). (BGH, Urt. v. 12.3.2020 – VII ZR 236/19, DStR 2020, 1695 betr. Abgrenzung zur Prüfung wegen wertpapierrechtlicher Vorschriften über den notwendigen Inhalt eines Prospekts)

Nach dem FISG ist jetzt zusätzlich die leichtfertige Erteilung eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerks bei der Abschlussprüfung von Unternehmen im öffentlichen Interesse (§ 316a S. 2 HGB) unter Strafe gestellt (§ 323 Abs. 3 HGB).

Der Verschuldensgrad der Leichtfertigkeit wird in der Gesetzesbegründung zum FISG nicht näher erläutert. In Abgrenzung zu einem vorsätzlichen Handeln dürfte ein leichtfertiges Handeln aber wohl mit einem grob fahrlässigen Handeln gleich zu setzen sein. (Nietsch, Abschlussprüferhaftung nach Wirecard, WM 2021, 158, 167.)

Ein inhaltlicher unrichtiger Bestätigungsvermerk liegt nur dann vor, wenn der Bestätigungsvermerk von den getroffenen Prüfungsfeststellungen des Abschlussprüfers abweicht. Entscheidend ist also das Abweichen des Bestätigungsvermerks von dem Ergebnis der Prüfung. Ob das Prüfergebnis falsch oder richtig ist, spielt zumindest bei der Strafbarkeit nach § 332 Abs. 1 HGB keine Rolle. (OLG Hamm, Urt. v. 3.2.2014 – 8 U 47/10, juris.)

1.  Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB

Nach § 823 Abs. 2 BGB macht sich schadenersatzpflichtig, der schuldhaft gegen ein Gesetz verstößt, dass den Schutz eines anderen bezweckt.

§ 323 Abs. 1 HGB, der eine vorsätzliche Verletzung der Berichtspflicht unter Strafe stellt, ist ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. (BGH, Urt. v. 12.3.2020 – VII ZR 236/19, DStR 2020, 1695 Rn. 14.)

Nach der Gesetzesbegründung zum FISG ist die Strafverschärfung auf Fälle der leichtfertigen Erteilung eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerks zu einem Jahresabschluss eines Unternehmens von öffentlichem Interesse erforderlich, weil das Vertrauen in die Richtigkeit des nach § 325 HGB offen zu legenden und damit für jedermann einsehbaren Bestätigungsvermerks bei der Prüfung eines Unternehmens von öffentlichem Interesse mit großem Adressatenkreis in hohem Maß schützenswert ist. (BT-Drs. 19/26966, 106.)

In den Schutzbereich der Strafverschärfung nach § 332 Abs. 3 HGB fallen nach der Gesetzesbegründung also nicht nur die geprüfte Gesellschaft und deren Gesellschafter, sondern wie bei § 332 Abs. 1 HGB auch die Gesellschaftsgläubiger und vor allem Dritte, die im Vertrauen auf die Richtigkeit des veröffentlichten Bestätigungsvermerks in rechtlicher Beziehung zu der Gesellschaft treten wollen.

Hiervon ausgehend ist § 332 Abs. 3 HGB ebenso wie § 332 Abs. 1 HGB ein Schutzgesetz iSv § 823 Abs. 2 BGB, bei dessen Verletzung sich der Abschlussprüfer eines Unternehmens von öffentlichem Interesse schadenersatzpflichtig machen kann.

2.  Ausweitung der deliktischen Dritthaftung

Für Abschlussprüfer eines Unternehmens von öffentlichem Interesse stellt eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 Abs. 3 HGB gegenüber den Anlegern der geprüften Gesellschaft eine deutliche Ausweitung der gesetzlichen Dritthaftung dar.

Nach der bisherigen Rechtslage haftete der Abschlussprüfer eines Unternehmens von öffentlichem Interesse gegenüber den Anlegern der geprüften Gesellschaft im Falle der leichtfertigen Erteilung eines unrichtigen Bestätigungsvermerks nur, wenn die Voraussetzungen für eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nach § 826 BGB vorlagen.

Für eine sittenwidriges Handeln ist erforderlich, dass der Abschlussprüfer bei der Erteilung des unrichtigen Bestätigungsvermerks nicht nur leichtfertig, sondern in Bezug auf die arglos handelnden Anleger auch gewissenlos handelt. Darüber verlangt § 826 BGB, dass sein unrichtiger Bestätigungsvermerk für den Erwerb und damit für den Schadeneintritt eines Anlegers ursächlich ist. Zudem muss der Abschlussprüfer hinsichtlich der Schädigung der Anleger mit Vorsatz handeln. (BGH, Urt. v. 12.3.2020 – VII ZR 236/19, DStR 2020, 1695.) Für eine Haftung nach §§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 323 Abs. 3 HGB reicht dagegen aus, dass der Abschlussprüfer den Straftatbestand des § 332 Abs. 3 HGB verwirklicht und sein unrichtiger Bestätigungsvermerk für einen Aktienerwerb eines Anlegers und damit für einen Schadeneintritt ursächlich ist. Im Unterschied zu einer Haftung wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nach § 826 BGH ist für eine Haftung nach §§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 323 Abs. 3 HGB nicht erforderlich, dass der Abschlussprüfer hinsichtlich der Schädigung der Anleger mit Vorsatz handelt.

Auch wenn man aktuell noch nicht absehen kann, welche praktischen Auswirkungen sich aus dem neuen Dritthaftungstatbestand für die Haftung des Abschlussprüfers eines Unternehmens von öffentlichem Interesse ergeben, muss damit gerechnet werden, dass vor allem in Insolvenzverschleppungsfällen zahlreiche Anleger versuchen werden, den Abschlussprüfer eines Unternehmens von öffentlichem Interesse nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 HGB in Anspruch zu nehmen, um die hohen Haftungshürden der sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB zu umgehen.

Selbst wenn diese Ansprüche überwiegend unbegründet sind, weil der Abschlussprüfer entweder nicht leichtfertig einen inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerk erteilt hat oder den Anlegern nicht der Nachweis gelingt, dass der unrichtige Bestätigungsvermerk Grundlage für ihren Aktienerwerb war, wird die Abwehr dieser Ansprüche für den Abschlussprüfer und seinen Berufshaftpflichtversicherer mit einem sehr hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden sein.

Fazit

Die Erhöhung der Haftungssummen bei einfacher und grober Fahrlässigkeit nach § 323 Abs. 2 S. 1, 3 u. 4 HGB und die Erweiterung der unbeschränkten Haftung auf Fälle der groben Fahrlässigkeit bei der Prüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 323 Abs. 2 S. 2 HGB erhöhen die Haftungsgefahren des Abschlussprüfers gegenüber der geprüften Gesellschaft und machen eine Anpassung des Versicherungsschutzes notwendig.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Abschlussprüfer einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat. Es muss damit gerechnet werden, dass Streitigkeiten über die Abgrenzung von einfacher und grober Fahrlässigkeit im Abschlussprüferhaftungsrecht einen breiten Raum einnehmen werden.

Die Absenkung des Verschuldensgrad von Vorsatz auf Leichtfertigkeit bei der strafbewährten Erteilung eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerks bei der Prüfung eines Unternehmens von öffentlichem Interesse nach § 332 Abs. 3 HGB erweitert das Dritthaftungsrisiko des Abschlussprüfers gegenüber den Anlegern der geprüften Gesellschaft, denn anders als bei einer Haftung wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nach § 826 BGH reicht für eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 Abs. 3 HGB ein leichtfertiges Handeln aus. Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Anleger ist nicht erforderlich.

 

Autor:

Rechtsanwalt Michael Brügge, HDI-Versicherung AG Köln

Top-Konditionen für Existenzgründer

Im Juli 2016 hat HDI als Rahmenvertragspartner des Steuerberaterverbandes Thüringen e.V. und einer der führenden Haftpflichtversicherer im deutschen Markt die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte grundlegend aktualisiert. Insbesondere die Mitglieder des Steuerberaterverbandes Thüringen e.V. profitieren dabei von vielen Vorteilen.

Basierend auf der langjährigen Erfahrung in diesem Bereich werden mit der neuen Bedingungs- und Tarifgestaltung umfangreiche Deckungskonzepte mit vielen Highlights geboten. Die Haftungsrisiken für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Allein die Zahl der Schadenersatzforderungen hat sich in letzter Zeit verdoppelt. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, Berufseinsteigern von Beginn an risikoadäquaten Versicherungsschutz zu bieten.


Highlights des neuen Produkts:

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    Existenzgründer zahlen in den ersten beiden Jahren nur den Mindestbeitrag, solange der Umsatz unter 100.000 Euro liegt. Weiterer Vorteil für Berufsanfänger: Der Selbstbehalt in den ersten drei Jahren nach der Erstzulassung entfällt völlig.
     
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Neben diesen Vorteilen bietet die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung viele weitere attraktive Leistungen wie z. B. die Mitversicherung des Datenschutzrisikos in voller Höhe der Vertragsdeckungssumme oder die Mitversicherung der persönlichen Inanspruchnahme von Geschäftsführern versicherter Kapitalgesellschaften.

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Optimaler Versicherungsschutz
in der Berufshaftpflicht von Anfang an für Verbandsmitglieder

Bei der Entscheidung für den Beruf des Steuerberaters und bei der Planung der Existenzgründung in einer eigenen Kanzlei – allein oder mit Berufskollegen – ist es besonders wichtig, sich intensiv mit den möglichen Risiken der beruflichen Tätigkeit auseinanderzusetzen. Steuerberater benötigen den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung als Voraussetzung ihrer Bestellung. Doch der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung allein garantiert ihnen noch nicht, dass sie eine wirkungsvolle und bedarfsgerechte Absicherung ihrer Haftungsrisiken aus der Berufstätigkeit haben. Die Haftungsrisiken für Steuerberater sind deutlich gestiegen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, wobei allein die verschärften Anforderungen an die Steuerberater, einhergehend mit den permanenten Änderungen der Rechtslage, die Risikostruktur der Berufsträger beeinflussen. Schon ein kleiner Fehler kann ausschlaggebend sein, um ihre wirtschaftliche Existenz ins Wanken zu bringen. Nur mit dem richtigen Sicherheitskonzept können sie sich von Anfang an optimal absichern.

Als erfahrener Versicherer des Berufsstandes kennt HDI die berufsspezifischen Risiken ganz genau. Mitglieder erhalten neben vielen weiteren Vergünstigungen besondere Prämienvorteile und Deckungserweiterungen in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Die Existenzgründerkonditionen gehen noch einmal deutlich weiter.

  • Bei Aufnahme einer erstmaligen selbstständigen Berufstätigkeit erhalten Sie auf die Jahresprämie Ihrer Berufshaftpflicht folgende Nachlässe:

            – Nachlass im 1. Versicherungsjahr: 60 %
            – Nachlass im 2. Versicherungsjahr: 30 %

  • Die Nachlässe gelten unabhängig vom Jahresumsatz odervon der gewünschten Deckungssumme.
  • Die Konditionen gelten für Einzelpraxen, Sozietäten, Partnerschaften und Partnerschaften mbB sowie interprofessionelle Kanzleien.
  • Kleinpraxen bis 20.000 Euro Jahres-Honorarumsatz (netto) können sich alternativ für einen Kleinpraxenrabatt in Höhe von 70 % auf die Jahresprämie entscheiden.
  • Auch angestellten Steuerberatern, die nebenberuflich in geringem Umfang auf eigene Rechnung arbeiten, bieten wir Versicherungsschutz zu Sonderprämien ab 94,80 Euro (ohne Versicherungssteuer).

 

Die Berufsunfähigkeit als Versorgungsbaustein im Rahmen einer Direktzusage
(Pensionszusage) und ihre Auswirkung auf die Steuerbilanz

Artikel von Herrn René Koller, Betriebswirt für betriebliche Altersversorgung (FH), HDI Vertriebs AG GD Erfurt und
Michael Hoppstädter, Betriebswirt für betriebliche Altersversorgung (FH), Leiter Consulting Longial GmbH

Die unmittelbare Versorgungszusage, umgangssprachlich auch Direktzusage oder Pensionszusage genannt, ist ein wesentlicher  Bestandteil der betrieblichen Altersversorgung, insbesondere von Führungskräften. Obwohl diese Form der Versorgung eine immer größere Komplexität  erfährt,  gehört die Pensionszusage weiterhin zu den flexibelsten Modellen; vorausgesetzt, die Spielregeln bei  der  Einrichtung einer  solchen Zusage werden berücksichtigt. Darüber  hinaus  ist  eine regelmäßige  Prüfung  und  ggf.  Aktualisierung  an  geänderte Rahmenbedingungen  (z.B.  Rechtsprechung, Gesetzesänderungen oder der Versorgungssituation der Versorgungsberechtigten) zwingend erforderlich, um den vermeintlichen Nachteilen einer Pensionszusage frühzeitig entgegentreten zu können.

 

Im Vordergrund vieler, in  der Vergangenheit eingerichteter Pensionszusagen stand nicht immer der Versorgungsgedanke, sondern oft  „DAS STEUERN SPAREN“. Das hat auch die Finanzverwaltung schon vor geraumer Zeit erkannt, und zahlreiche Bedingungen im Lauf  der  Zeit  festgelegt, die eingehalten werden müssen, damit die Pensionszusage steuerlich anerkannt wird. Dazu zählt auch unter anderem  die  Frage,  ob die Pensionszusage, im Falle des Versorgungsfalles auch  tatsächlich für die Gesellschaft  (GmbH) finanzierbar ist. Ein Indiz für die  Ausfinanzierung stellt nach  Auffassung der Finanzverwaltung eine sogenannte Rückdeckungsversicherung dar.  Somit  haben  viele  Unternehmen solche Rückdeckungsversicherungen abgeschlossen, die  die zugesagten Leistungsbausteine, wie   die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Witwenrente, der Pensionszusage, abdecken sollen. Das Wesen einer unmittelbaren Versorgungszusage ist, dass für die Erfüllung der zugesagten Versorgungsleistungen ausschließlich das Unternehmen verantwortlich  ist.  Daher hat  das  Unternehmen aus  dieser  Verpflichtung eine Rückstellung  (für  eine  ungewisse  Verbindlichkeit) in  der  Bilanz  zu  bilden. Aus verschiedenen Gründen unterscheiden sich die Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz, aber das soll an dieser Stelle nicht das Thema sein. Wir konzentrieren uns hier auf die steuerliche Bilanzierung.

Hat das Unternehmen eine  Rückdeckungsversicherung abgeschlossen, ist diese mit ihrem sog. Aktivwert jährlich als Vermögenswert des Unternehmens auf der Aktivseite der Bilanz auszuweisen. Aus den Besonderheiten des § 6a EStG, in dem die  steuerlichen Regelungen für die Bildung von Pensionsverpflichtungen festgeschrieben sind, ergeben sich nun verschiedene Problemstellungen:

  • Zum einen ist im § 6a Abs. 3 Nr. 3 EStG ein Zins von 6% vorgeschrieben, mit dem die Pensionsrückstellungen abzuzinsen sind. Wenn man das mit dem aktuellen Zinsumfeld am  Kapitalmarkt  vergleicht,  kommt  man sehr schnell zu der Erkenntnis, dass  die dann in den Steuerbilanzen  ausgewiesenen  Pensionsrückstellungen, doch deutlich zu gering ausfallen – also den tatsächlichen Verpflichtungsumfang nur unzureichend abbilden.
  • Das  im  §  6a  EStG  festgelegte  Berechnungsverfahren  zur  Ermittlung  der    Pensionsrückstellungen,  das sog. Teilwertverfahren, nimmt eine Gleichverteilung  des „Personalaufwands“ über die gesamte vom Versorgungsberechtigten     zurückzulegende Arbeitszeit vor. Bei einer Festbetragszusage (z. B. 1.000 € Rente  monatlich) ist der „Personalaufwand“  im  ersten Jahr der Versorgungszusage gleich dem  Personalaufwand  im  letzten  Jahr  vor  Rentenbeginn. Erst bei  Eintritt  des  Leistungsfalles  ist  der  Barwert  der künftigen Versorgungsverpflichtung als Rückstellung zulässig.

 

Der LEISTUNGSFALL Berufsunfähigkeit

"Die Berufsunfähigkeitsrentenversicherung zahlt die monatlich vereinbarte BU-Rente. Dies ist ein durchlaufender Posten für die Firma und muss vom Versorgungsberechtigten genau wie sein vorheriges Einkommen nach § 19 EStG versteuert werden."

Was den Liquiditätsfluss angeht, ist diese Aussage nicht falsch. Aber der Leistungsfall „Berufsunfähigkeit“ hat in der Steuerbilanz deutliche Auswirkungen, weil die bisherigen Bilanzwerte auf der Aktiv- und Passivseite erhebliche Veränderungen erfahren.

PASSIVSEITE: Die bisher zum Teilwert bilanzierte Verpflichtungen ist ab demWirtschaftsjahr, in dem der Leistungsfall Berufsunfähigkeit eingetreten ist, zum Barwert der künftigen Versorgungsverpflichtungen (§ 6a Abs. 3 Nr. 1 Satz 5) zu bilanzieren. In dem Jahr des Leistungseintritts ist also eine hohe Zuführung zu der Pensionsrückstellung erforderlich. Der angenehme Nebeneffekt – diese Zuführung wirkt sich gewinnmindernd in der Steuerbilanz aus. Ob eine Verteilung der Rückstellungserhöhung auf drei Wirtschaftsjahre sinnvoll ist, ist im Einzelfall zu prüfen. Dieser Bilanzsprung (also die außerordentlich hohe einmalige Zuführung zur Pensionsrückstellung) wird als das sogenannte „Auffüllungsrisiko“ des Unternehmens bezeichnet. Bei den steuerlichen Auswirkungen von Pensionszusagen ist vielen Beteiligten eine Affinität zur Passivseitenachzusagen; aber wie sieht es nun auf der Aktivseite aus?

AKTIVSEITE: Liegt eine Rückdeckungsversicherung in Form einer BU-Rente und/oder einer Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit vor, so sollte man das Augenmerk auf die Aktivseite der Steuerbilanz richten. Bei der Berechnung des Aktivwertes einer Berufsunfähigkeitsrente ist von einer abgekürzten Leibrente, einer „Rente auf Zeit“, auszugehen. Dafür wurde als Kalkulationsgrundlage früher der § 6a EStG, also ein Rechnungszins von 6 % zu Grunde gelegt. Der Aktivwert für lebenslange Altersrenten wurde früher mit einem Rechnungszins von 3 % abgezinst. Diese Berechnungen waren bei den Mathematikern der Versicherer so Jahre lang üblich.

Der BFH hat mit seinem Urteil (I R 67/08) vom 10.06.2009 diese in der Praxis übliche Vorgehensweise gekippt und klargestellt, dass eine Rückdeckungsversicherung als „einheitliches Wirtschaftsgut“ zu aktivieren ist. Eine abgekürzte Leibrente, wie die Berufsunfähigkeitsrente, ist genauso wie eine lebenslange Rente, also mit dem gültigen Rechnungszins (der „Garantiezins“ des Versicherungsvertrages) bei Vertragsabschluss zu bewerten!

Bitte bedenken Sie an dieser Stelle, dass der Garantiezins der Lebensversicherer noch nie höher als 4 % lag – der Zins für die Pensionsrückstellungen aber bei 6 % liegt (s.o.). In zahlreichen Stufen hat sich Garantiezins der Versicherer auf aktuell 1,25 % reduziert. In der Praxis treffen wir in den meisten Fällen auf Rückdeckungsversicherungen mit Rechnungszinsen von 3,25 % bis 2,25 %! Der  Barwert der künftigen Versicherungsleistungen (Aktivseite) ist allein aus der Tatsache, dass dieser Barwert mit einem geringeren Zins abgezinst wird, deutlich höher als der Barwert der zugesagten Leistung (Passivseite). Dazu kommt, dass der Barwert der Invaliditätsverpflichtung nicht nur die Summe der zugesagten Berufsunfähigkeitsrente bis zum Altersrentenbeginn, den steuerlichen Wert der Altersrentenzusage zum Rentenbeginn, sondern auch noch die zukünftigen Prämien, die auf Grund einer Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit nicht mehr gezahlt werden müssen, sowie ggf. entsprechende Beitragsdynamiken beinhaltet.

Der unvermeidbare Anstieg des finanzmathematischen Wertes der Rückdeckungsversicherung (Zuführung zur Aktivseite = Ertrag) ist demnach deutlich höher als die Zuführung zur Passivseite (Aufwand). Unterm Strich bleibt also ein deutlicher „außerordentlicher“ Ertrag in der Steuerbilanz, der anders als in der Handelsbilanz eine konkrete erhebliche Steuerzahlung zur Konsequenz hat. Da die monatlichen Leistungen der Versicherungsgesellschaft für die monatliche Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente an den Versorgungsberechtigten abfließen, ist die erhebliche zusätzliche steuerliche Belastung auf den a. o. Ertrag aufgrund des fehlenden Liquiditätszuflusses aus anderen – hoffentlich im Unternehmen vorhandenen – finanziellen Mittel abzusichern. Bereits heute versteuert man aufgrund des unverändert hohen Zinssatzes in § 6a EStG Scheingewinne, im Leistungsfall Berufsunfähigkeit kommt es sogar zu einer „Explosion“ des Scheingewinns mit einer erheblichen steuerlichen Zusatzbelastung.

Vielen Unternehmern mit Versorgungsverpflichtungen sind die steuerbilanziellen Risiken im vorzeitigen Leistungsfall nicht bewusst. Im Rahmen der aktuellen Diskussion zum Thema "Zinsschmelze"  werden in der Praxis die angebotenen Alternativmodelle häufig nur auf ihre handelsbilanziellen Auswirkungen reduziert. Die dargestellten Auswirkungen im vorzeitigen Leistungsfall verdeutlichen, dass es durchaus notwendig und angeraten ist, das Thema Versorgungsversprechen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Eine Ist-Analyse unter Berücksichtigung der individuellen Ziele und Bedürfnisse sowie der finanziellen Möglichkeiten aller Beteiligten muss die Grundlage für eine zukunftsorientierte Pensionszusage sein.

Die Betriebswirte für betriebliche Altersversorgung (FH) René Koller und Michael Hoppstädter helfen Ihnen vor Ort bei der Umsetzung und stehen Ihnen für versicherungstechnische und mathematische Fragen in diesem Zusammenhang gern zur Verfügung.

„Ob es besser wird, wenn es anders wird, weiß ich nicht. Dass es anders werden muss, wenn es besser werden soll, ist gewiss.“
Georg Christoph Lichtenstein

 

Kontakt

René Koller
Betriebswirt für betriebliche Altersversorgung (FH)
HDI Vertriebs AG GD Erfurt
Futtergasse 2
06567 Bad Frankenhausen/Kyffh.

Telefon 034671 529785
Mobil 0172 3615451
rene.koller@hdi.de

 

Michael Hoppstädter
Betriebswirt für betriebliche Altersversorgung (FH)
Leiter Consulting Longial GmbH
Prinzenallee 13
40549 Düsseldorf

Telefon 0211 4937-7655
Mobil 0173 1865988
michael.hoppstaedter@longial.de

Statistisch gesehen werden jeder vierte Arbeiter und jeder fünfte Angestellte im Laufe ihres Lebens erwerbsunfähig. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Der Alltag wird immer komplexer, Berufs- und Privatleben stellen jeden ständig vor neuen Herausforderungen.

Fest steht: Alltäglicher Stress sowie psychische Belastungen am Arbeitsplatz und im Privatleben können unangenehme Folgen haben. Tatsächlich führen psychische Erkrankungen mit 41% aller Krankheitsfälle als Auslöser für eine Berufsunfähigkeit inzwischen die Statistik an. Aber auch ein Unfall kann zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Berufsleben zwingen. Fällt das gewohnte Einkommen weg, kann dies existenzielle Auswirkungen haben. Wer auch im Falle einer Berufsunfähigkeit (BU) seinen Lebensstandard beibehalten möchte, sollte sich frühzeitig absichern.

Der überwiegende Teil der Angehörigen Freier Berufe, insbesondere auch Steuerberater, haben den Vorteil, nicht von der ohnehin für viele Menschen nur unzureichenden gesetzlichen BU-Absicherung abhängig zu sein. Danach genießen Arbeitnehmer, die nach dem 01.01.1961 geborgen wurden, keinen Berufsschutz mehr, sondern erhalten nur eine Erwerbsminderungsrente. D.h., wer seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, wird auf eine andere Tätigkeit verwiesen. Erst wer aufgrund seiner Krankheit weniger als drei Stunden am Tag einer Tätigkeit nachgehen kann, erhält die volle Rente; Berufstätige, die noch zwischen drei und sechs Stunden am Tag arbeiten können, bekommen gerade einmal die halbe Rente. Zum Leben reicht dieses Geld allerdings kaum aus.

Steuerberater genießen hingegen das Privileg, durch ihr berufsständisches Versorgungswerk gut abgesichert zu sein. Dieses legt seine Beiträge wie Lebensversicherungen nach dem Kapitaldeckungsverfahren an. Anders als bei der gesetzlichen Rentenversicherung spart jedes Mitglied seinen eigenen Anteil an. Daher sind die Rentenleistungen des Versorgungswerks im Falle einer Berufsunfähigkeit höher als die gesetzlichen Leistungen.

 

Besonderheit für Mitglieder eines berufsständischen Versorgungswerkes

So gut die Berufsunfähigkeitsversorgung des Versorgungswerks der Steuerberater ist – ihre Leistungen sind an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Betroffene müssen ihre berufliche Tätigkeit als Steuerberater in der Regel komplett einstellen und ihre Zulassung zurückgeben. Eine Rückkehr in den ursprünglichen Beruf ist durch diese Regelung – zumindest solange eine BU-Rente gezahlt wird – nicht mehr möglich und auch eine eingeschränkte Tätigkeit als Steuerberater wird dadurch ausgeschlossen. Außerdem besteht der Leistungsanspruch oft nur bei vollständiger Berufsunfähigkeit. Daher ist man gut beraten, neben der Absicherung über das Versorgungswerk eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen.

 

Besser privat vorsorgen

Das Angebot an Einkommensschutzprodukten ist vielfältig. Gerhard Frieg, im Vorstand der HDI Lebensversicherung AG für Produktmanagement und Marketing verantwortlich: „Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist – insbesondere für Akademiker – die ‚erste Wahl’, denn sie schützt die Arbeitskraft im zuletzt ausgeübten Beruf.“ Der Kunde kann mit der Police also seinen sozialen Status bewahren. Außerdem bringen BU-Versicherungen schon die volle Leistung, sobald der Kunde die Hälfte seiner Arbeitskraft eingebüßt hat. Eine Abstufung nach vollen und halben Renten kennen gute BU-Versicherer laut Frieg nicht.

Die Versicherung für Cyberrisiken

Immer erreichbar, Mails von unterwegs beantworten, noch schnell die Daten an den Kunden verschicken - beruflich sind wir nahezu permanent in der digitalen Welt unterwegs. Und da lauern Gefahren, gegen die Firewalls und Anti-VirusSoftware als Sicherheitsmaßnahme nicht mehr ausreichen. Unternehmen müssen sich den neuen Risiken stellen.


Leistungen

Die Zusatzdeckung Cyberrisk ergänzt Ihre betriebliche Haftpflichtversicherung. Sie übernimmt den finanziellen Schaden, wenn Dritte aufgrund eines IT-Schadenseinen Haftpflichtanspruch an Sie stellen. Zum Beispiel bei Verletzungen des Datenschutzes oder bei Datenverlust. Darüber hinaus leistet sie Ersatz bei Eigenschäden, wenn also Ihr Betrieb selbst durch einen Cyber-Vorfall einen Verlust erleidet - zum Beispiel, wenn Sie nach einem IT-Schaden ein Bußgeld wegen einer Verletzung von nationalen Datenschutzgesetzen nach ausländischen Rechtsordnungen zahlen oder verlorene Daten aufwendig wiederherstellen müssen.

 

Schadenbeispiele

Ob ein Schaden aus Versehen oder durch kriminelle Energie entsteht - mit HDI Cyberrisk sind Sie bestens darauf vorbereitet, wie diese Beispiele zeigen:

Fall 1
Ein Mitarbeiter verschickt versehentlich Adresslisten mit Kundendaten per E-Mail an eine falsche Adresse. Der Vorfall muss bei der Datenschutzbehörde gemeldet werden. Für die dabei entstandenen Kosten fordert der Kunde Schadenersatz. HDI Cyberrisk ersetzt diese Kosten. Und da der Vorfall auch an die Öffentlichkeit gelangt ist, erstattet HDl Cyberrisk darüber hinaus die Beratungskosten für die notwendige Öffentlichkeitsarbeit.

Fall 2
In einem Modegeschäft manipulieren Diebe ein Lesegerät und kommen so an die Kreditkartendaten der Kunden. Ergebnis: Kunden stellen hohe Schadenersatzforderungen. Zudem müssen die Kreditkarten überwacht werden, um weiterem Missbrauch vorzubeugen. Die Kosten für die Überwachungsdienstleistung übernimmt HDI Cyberrisk. Darüber hinaus erstattet HDI Cyberrisk die Kosten für das Honorar eines PR-Experten, mit dessen Hilfe der entstandene Imageschaden behoben werden kann.

 

Digitale Risiken. Realer Schutz

  • Deutschland belegt Platz 1 (2013) in der Schadenstatistik durch Cyberangriffe. Schadensumme: 46 Mrd. Euro.
  • 30 % der Unternehmen in Deutschland haben 2013 oder 2014 einen IT-Sicherheitsvoriall festgestellt.
  • 75 % davon wurden - mit Absicht oder aus Versehen von Mitarbeitern verursacht.

Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), www.gdv.de


Die nachfolgende Übersicht stellt lediglich eine Kurzbeschreibung der versicherten Leistungen dar. Der rechtsverbindliche Inhalt des Versicherungsschutzes ergibt sich ausschließelich aus dem Wortlaut der jeweils aktuellen Bedingungen, welche beantragt und im Versicherungsschrein dokumentiert werden:

 

Versicherungsschutz für Drittschäden:

Gegenstand der Versicherung l Deckungssumme = 750.000 Euro

  • Schäden aus der Informationsicherheitsverletzung (Datenschutzverletzung, Datenvertraulichkeitsverletzung, Netzwerksicherheitsverletzung)
  • Schäden aus dem Verlust, der Veränderung oder der Nichtverfügbarkeit von elektronischen Daten Dritter
  • Durch eine Freistellungsverpflichtung übernommene gesetzliche Haftpflicht wegen Datenschutz- oder Datenvertraulichkeitsverletzungen

Leistung

  • Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadenersatzansprüche und die Freistellung der Versicherten von berechtigten Schadenersatzverpflichtungen
  • Kosten einer Verteidigung eines Versicherten in einem Strafverfahren wegen einer Informationssicherheitsverletzung oder eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens wegen einer Datenschutzverletzung

 

Versicherungsschutz für Eigenschäden

Gegenstand der Versicherung l Sublimit generell für Eigenschäden = 250.000 Euro

  • Schäden infolge einer Informationssicherheitsverletzung
  • Schäden infolge einer nicht autorisierten Nutzung, Vervielfältigung, Veränderung, Beschädigung, Zerstörung oder des Diebstahl von Daten
  • Schäden infolge eines Denial-of-Service-Angriffs, durch den der Betrieb des Netzwerks oder des Internets unterbrochen wird
  • Schäden infolge eines rechtswidrigen Eingriffs durch nicht autorisierte digitale Nutzung der Telefonanlage

Leistung

Forensische Untersuchungen = 250.000 Euro
Benachrichtigung von Betroffenen und Datenschutzbehörden = 250.000 Euro
Öffentlichkeitsarbeit im Krisenfall (PR-Beratung) = 50.000 Euro
Kreditkartenüberwachungsdienstleistungen = 50.000 Euro
Wiederherstellung von Daten und Software = 250.000 Euro
Betriebsunterbrechung = 250.000 Euro
Telefonkosten = 5.000 Euro

Von Bilanzsprungrisiko oder Auffüllungsrisiko in der betrieblichen Altersvorsorge spricht man bei Eintritt von so genannten biometrischen Risiken wie zum Beispiel dem Eintritt von Berufsunfähigkeit des Versorgungsberechtigten. Die Wirkung dieses Ereignisses haben auf die beiden Seiten der Bilanz derartige Auswirkungen, dass es nicht selten zur Überschuldung eines Unternehmens führen kann. Fraglich ist, ob der Steuerberater, welcher für das Unternehmen in einem Dauermandat tätig ist, dieses Risiko hätte erkennen, seinen Mandanten darauf aufmerksam machen und sogar Lösungsvorschläge unterbreiten müssen.

Das Auffüllrisiko in der betrieblichen Altersvorsorge

Die unmittelbare Versorgungszusage, umgangssprachlich auch Direktzusage oder Pensionszusage genannt, ist ein wesentlicher Bestandteil der betrieblichen Altersversorgung, insbesondere von Führungskräften. Obwohl diese Form der Versorgung eine immer größere Komplexität erfährt, gehört die Pensionszusage weiterhin zu den flexibelsten Modellen. Vorausgesetzt, die Spielregeln bei der Einrichtung einer solchen Zusage werden berücksichtigt. Darüber hinaus ist eine regelmäßige Prüfung und ggfs. Aktualisierung an geänderte Rahmenbedingungen (z.B. Rechtsprechung, Gesetzesänderungen oder der Versorgungssituation der Versorgungsberechtigten) zwingend erforderlich, um den vermeintlichen Nachteilen einer Pensionszusage frühzeitig entgegentreten zu können.

Dass Pensionszusagen in der Vergangenheit häufig als Steuersparmodelle genutzt wurden, hat auch die Finanzverwaltung schon vor geraumer Zeit erkannt und zahlreiche Anforderungen im Lauf der Zeit erarbeitet, die eingehalten werden müssen, damit die Pensionszusage steuerlich anerkannt wird. Dazu zählt auch unter anderem die Frage, ob die Pensionszusage, im Falle des Versorgungsfalles auch tatsächlich für die Gesellschaft (GmbH) finanzierbar ist. Ein Indiz dafür stellt nach Auffassung der Finanzverwaltung eine sog. Rückdeckungsversicherung dar. Somit haben viele Unternehmen solche Rückdeckungsversicherungen abgeschlossen, die die zugesagten Leistungsbausteine, wie die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Witwenrente, der Pensionszusage, abdecken sollen.

Das Wesen einer unmittelbaren Versorgungszusage ist, dass für die Erfüllung der zugesagten Versorgungsleistungen, das Unternehmen alleine gerade steht. Als „ungewisse Verbindlichkeit“ hat das Unternehmen aus dieser Verpflichtung eine Rückstellung in der Bilanz zu bilden. Aus verschiedenen Gründen unterscheiden sich die Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz, aber das soll an dieser Stelle nicht das Thema sein. Wir konzentrieren uns auf die steuerlichen Auswirkungen. Hat das Unternehmen eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen, ist diese mit ihrem sog. Aktivwert jährlich als Vermögenswert des Unternehmens, auf der Aktivseite der Bilanz auszuweisen.

Aus den Besonderheiten des § 6a EStG, in dem die steuerlichen Regelungen für die Bildung von Pensionsverpflichtungen festgeschrieben sind, ergeben sich nun verschiedene Problemstellungen:

  • Zum einen ist im § 6a Abs. 3 Nr. 3 EStG ein Zins von 6% vorgeschrieben, mit dem die Pensionsrückstellungen abzuzinsen sind. Wenn man das mit dem aktuellen Zinsumfeld am Kapitalmarkt vergleicht, kommt man sehr schnell zu der Erkenntnis, dass, die dann in den Steuerbilanzen ausgewiesenen Pensionsrückstellungen, doch deutlich zu gering ausfallen – also den tatsächlichen Verpflichtungsumfang nur unzureichend abbilden.
     
  • Das im § 6a EStG festgelegte Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Pensionsrückstellungen, das sog. Teilwertverfahren, nimmt eine Gleichverteilung des „Personalaufwands“ über die gesamte vom Versorgungsberechtigten zurückzulegende Arbeitszeit vor. Bei einer Festbetragszusage (z. B. 1.000 EUR Rente monatlich) ist der „Personalaufwand“ im ersten Jahr der Versorgungszusage, gleich dem Personalaufwand im letzten Jahr vor Rentenbeginn. Erst bei Eintritt des Leistungsfalles ist der Barwert der künftigen Versorgungsverpflichtung als Rückstellung zulässig.

Selbstverständlich zahlt die Berufsunfähigkeitsrentenversicherung die monatlich vereinbarte BU-Rente im Leistungsfall. Dies ist ein durchlaufender Posten für die Firma und muss vom Versorgungsberechtigten genau wie sein vorheriges Einkommen nach § 19 EStG versteuert werden. Dieser Liquiditätsfluss ist aber unabhängig von der Steuerbilanz zu sehen.

Schauen wir uns zunächst die Pensionsrückstellung, also die Passivseite der Steuerbilanz, an: Der bereits genannte Teilwert der Verpflichtungen wird im Wirtschaftsjahr, in dem der Leistungsfall eingetreten ist, zum Barwert der künftigen Versorgungsverpflichtungen (§ 6a Abs. 3 Nr. 1 Satz 5). In diesem Jahr ist also eine hohe Zuführung zu der Pensionsrückstellung erforderlich. Der angenehme Nebeneffekt – diese Zuführung wirkt sich gewinnmindernd auf die Steuerbilanz aus. (Ob eine Aufteilung der Rückstellungen auf drei Wirtschaftsjahre sinnvoll wäre, sei im Einzelfall zu prüfen.) Dieser Bilanzsprung (also die außerordentlich hohe einmalige Zuführung zur Pensionsrückstellung) wird als das sogenannte „Auffüllungsrisiko“ des Unternehmens bezeichnet.

Bei den steuerlichen Auswirkungen von Pensionszusagen ist vielen Beteiligten eine Affinität zur Passivseite nachzusagen. Liegt eine Rückdeckungsversicherung in Form einer BU-Rente und oder einer Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit vor, so sollte man das Augenmerk auf die Aktivseite der Steuerbilanz richten. Bei der Berechnung des Aktivwertes einer Berufsunfähigkeitsrente ist von einer abgekürzten Leibrente, einer „Rente auf Zeit“, auszugehen. Dafür wurde als Kalkulationsgrundlage früher der § 6a EStG, also ein Rechnungszins von 6 % zu Grunde gelegt. Der Aktivwert für lebenslange Altersrenten wurde früher mit einem Rechnungszins von 3% abgezinst. Diese Berechnungen waren bei den Mathematikern der Versicherer so Jahre lang üblich. Der BFH hat mit seinem Urteil (IR 67/08) vom 10.06.2009 diese, in der Praxis übliche Vorgehensweise, gekippt und klargestellt, dass eine Rückdeckungsversicherung als „einheitliches Wirtschaftsgut“ zu aktivieren ist. Eine abgekürzte Leibrente, wie die Berufsunfähigkeitsrente, ist genauso wie eine lebenslange Rente, also mit dem gültigen Rechnungszins (der „Garantiezins“ des Versicherungsvertrages) bei Vertragsabschluss zu bewerten! Zum Vergleich: der Garantiezins der Lebensversicherer lag noch nie höher als 4% – der Zins für die Pensionsrückstellungen aber bei 6% (s.o.). In zahlreichen Stufen hat sich Garantiezins der Versicherer auf aktuell 0,9% reduziert. In der Praxis treffen wir in den meisten Fällen auf Rückdeckungsversicherungen mit Rechnungszinsen von 3,25 – 2,25%!

Der Barwert der künftigen Versicherungsleistungen (Aktivseite) ist alleine aus der Tatsache, dass dieser Barwert mit einem geringeren Zins abgezinst wird, deutlich höher als der Barwert der zugesagten Leistung (Passivseite). Dazu kommt, dass der Barwert der Invaliditätsverpflichtung nicht nur die Summe der zugesagten Berufsunfähigkeitsrente bis zum Altersrentenbeginn, den steuerlichen Wert der Altersrentenzusage zum Rentenbeginn, sondern auch noch die zukünftigen Prämien, die auf Grund einer Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit nicht mehr gezahlt werden müssen, sowie ggf. entsprechende Dynamiken beinhaltet.

Die Zuführung zur Aktivseite (Ertrag) ist demnach deutlich höher als die Zuführung zur Passivseite (Aufwand) – unterm Strich bleibt also ein deutlicher, außerordentlicher Ertrag in der Steuerbilanz, der anders als in der Handelsbilanz, eine konkrete Steuerzahlung zur Konsequenz hat.

Hinweispflicht im steuerlichen Dauermandat

Die Pflichten eines Steuerberaters richten sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats. Hat er einen auf eine bestimmte Angelegenheit klar umrissenen Auftrag erhalten, ist er grundsätzlich nur verpflichtet, diesen konkreten Sachverhalt zu klären. Er muss sich nur mit den steuerrechtlichen Aspekten befassen, die bei der pflichtgemäßen Erledigung der einzelnen Aufgaben zu beachten sind. Aber auch in diesem durch das erteilte Mandat begrenzten Bereich ist der Steuerberater zur umfassenden und erschöpfenden Beratung verpflichtet. Er hat den Mandanten auch stets ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (BGH 11.05.1995, NJW 1995, 2108, 2110). Die Pflichten des konkreten Mandat sind also bereits in der Rechtsprechung festgelegt; Mandantenwunsch und mit etwas erfahrenem Weitblick über den Tellerrand hinaus.

Die Rechtslage ist hingegen etwas anders, wenn der Steuerberater mit einem umfassenden Dauermandat beauftragt ist. Dann hat er ohne weiteres die regelmäßig anfallenden Buchführungs- und Aufzeichnungsarbeiten zu erledigen und die in Betracht kommenden Steuererklärungen zu fertigen. Nach der Rechtsprechung des BGH (20.11.97, NJW 98, 1221) ist er darüber hinaus sogar verpflichtet, von sich aus und ohne besondere Beauftragung über alle steuerlich bedeutsamen Fragen einschließlich der insoweit bestehenden zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu beraten. Den Steuerberater treffen damit eigene Ermittlungs- und Beratungspflichten auch hinsichtlich solcher Umstände, die vom Mandanten bei der Erteilung des Mandats und in der Folgezeit nicht bedacht waren. Von einem umfassend beauftragten Steuerberater kann ein Mandant dies aber auch erwarten, so die Ansicht des Bundesgerichtshof und teilweise auch der vorbefassten Gerichte.

Die Beweislast für das Vorliegen eines konkreten Mandats, welches auf ein bestimmtes Aufgabengebiet begrenzt ist, liegt beim Steuerberater. Oft gibt es keinen schriftlichen Vertrag, in dem der Auftrag exakt beschrieben ist. Dies ergibt sich aus der Art, wie sich Mandate bei einem Steuerberater entwickeln. In der Regel ist die Kundenverbindung über viele Jahre gewachsen und Aufträge erfolgen auf telefonischen Zuruf oder werden als selbstverständlich vorausgesetzt. In einem solch lebendigen Vertragsverhältnis plötzlich Aufgaben und damit Regeln zu definieren, erscheint unpassend, ja sogar dem Vertrag zuwider. So scheuen sich die Steuerberater ein Grundsatzgespräch mit Ihren Mandanten zu führen oder auch nur den jeweiligen Auftrag per Bestätigungsschreiben zu perpetuieren. Die Folge ist, dass der Steuerberater oft in das Vertragsverhältnis Dauermandat rutscht, mit allen daraus resultierenden Haftungsrisiken.

Nun ist es fraglich, ob auch das Hinweisen auf die Tragweite des Auffüllrisikos im aktuellen Zinsumfeld und die daraus zu ziehenden Konsequenzen zum Pflichtenkreis eines Steuerberaters mit Dauermandat gehört. Der mögliche Schaden, der hier im Raum steht, ist immerhin die mögliche Zahlungsunfähigkeit des Mandanten mit all den daraus resultierenden Folgen.

Bisher wurde diese konkrete Frage noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung. Daher wollen wir uns im Folgenden ein paar der jüngsten Entscheidungen zum Themenfeld der Pflichten eines Steuerberaters im Dauermandat ansehen und versuchen Tendenzen zu erkennen.

Dass sich die Haftung des Steuerberaters mit Dauermandat erheblich verschärft hat, zeigt ein Vergleich der Rechtsprechung des BGH mit seinem Urteil IX ZR 64/12. Am 07.03.2013 hat der BGH das übliche Dauermandat von der wirtschaftsrechtlichen Beratung und der heraus resultierenden Pflicht, den Mandanten auf eine notwendige Überprüfung des Insolvenzstatus hinzuweisen abgegrenzt und eine Pflichtverletzung für die Nichtprüfung der Insolvenzreife verneint. Mit Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14 hat der BGH entschieden, dass auch im Rahmen des steuerrechtlichen Dauermandats eine Haftung des Steuerberaters begründet werden kann, wenn dieser es unterlässt, die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, obschon entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und der Steuerberater annehmen musste, dass die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst war. Diese Kehrtwende könnte eine Tendenz der Rechtsprechung deutlich machen, dass ein neuer Maßstab an die Anforderungen für ungefragte Hinweispflichten eines Dauermandats zu stellen ist.

Das OLG Karlsruhe (7 U 214/15) hatte sich am 22.02.2017 mit einem Fall zu beschäftigen, in dem der Mandant des Steuerberaters einen Spezialisten zur Erarbeitung eines steuerlichen Konzepts beauftragt hat. Dies geschah parallel zur Tätigkeit des Steuerberaters in einem umfangreichen Sachverhaltskomplex. Das Konzept des Spezialisten war jedoch fehlerhaft. Hierfür sollte auch der Steuerberater haften. Hier ist das Gericht davon ausgegangen, dass vom Steuerberater nicht erwartet werden kann, dass er sich in das fremde Konzept des Spezialisten einarbeitet und Vorzüge und Nachteile ohne Auftrag prüft.

Das LG Berlin musste sich mit dem Thema Dauermandat bei der Gründung einer GmbH befassen. Unbestritten hat der Steuerberater für den Mandaten, über 18 Jahre hinweg, die Buchhaltung und Steuererklärung gemacht. Hieraus schloss der Mandant, dass es sich um ein steuerliches Dauermandat handle und Ausfluss dessen sei es, dass der Steuerberater auch Anfragen zwischen Tür und Angel sorgfältig zu bearbeiten habe. So hätte der Steuerberater auch die Gründungsurkunde der Gesellschaft prüfen und berichtigen beziehungsweise ergänzen müssen. Die Frage, ob eine Gesellschaftsrechtliche Beratung Teil eines Dauermandats sein kann, konnte hier allerdingt weitestgehend offen gelassen werden, weil der Steuerberater stets einen konkreten Auftrag dokumentiert hat. Der Auftrag, den der Steuerberater nach der Gründung der GmbH erhalten hatte, könnte man als Dauermandat auslegen. Dies musste das Gericht aber nicht entscheiden, es ging um das Vertragsverhältnis vor der Gründung. Ferner, so dass Gericht, war der Steuerberater nicht umfassend über eine geplante Darlehensgewährung im Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung informiert worden, so dass er auch keine Kenntnis eines möglichen Schadenseintritts hatte und entsprechend auch keine Hinweispflicht. Diese Entscheidung hätte eine ganz andere Wendung genommen, wenn der Steuerberater nicht den Auftrag so konkret beschrieben hätte. Legt man den Maßstab des BGH zur Hinweispflicht eines Insolvenzgrunds diesem Sachverhalt zugrunde, hätte das Landgericht bei einem umfassenden Dauermandat sicherlich auch anders entscheiden können.

Am 15.04.2014 musste das OLG Koblenz (3 U 633/13) zu der Frage eine Entscheidung fällen, ob eine körperschaftsteuerliche Gestaltungsberatung im Rahmen eines steuerrechtlichen Dauermandats vom Steuerberater selbst aufgegriffen und mit dem Mandanten erörtert werden muss. Ja, meint das Gericht Im Rahmen eines umfassenden Dauermandats, welches alle Steuerarten umfasst, die für den Auftraggeber in Betracht kommen, ist er verpflichtet zur Beratung einschließlich der Möglichkeit zu zivilrechtlichen Steuergestaltungen auch jenseits der konkret bearbeitenden Angelegenheiten.

Fazit
Wenn man diese unterschiedlichen Entscheidungen vergleicht, so fällt auf, dass es am Steuerberater selbst liegt, ob er das Mandat zu einem umfassenden Dauermandat werden lassen möchte. Wenn das Gericht aber dazu kommt, dass hier ein Dauermandat vorliegt, so ist der Pflichtenkreis sehr weit gefasst und wie es das OLG Koblenz treffend formuliert hat, alle Steuerarten betreffend. Das im Blick halten aller Steuerarten, kombiniert mit der ungefragten Gestaltungsberatung oder sogar Gestaltungsempfehlung könnte bedeuten, dass hier auch die Pensionszusage mit all seinen Facetten, wie dem Auffüllrisiko, für den Steuerberater eine Prüf- und Überwachungspflicht darstellt. Insbesondere dann, wenn der Steuerberater auch immer die Insolvenzreife zu prüfen hat.

Wir stehen Ihnen und Ihren Mandanten mit praxisnahen Ideen und professionellen Lösungen, sowie bei versicherungstechnischen, mathematischen und rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Pensionsverpflichtungen gern zur Verfügung.

Autoren:
René Koller Betriebsw. bAV (FH)
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